Ein Grabstein für Koeppens Mutter

In der nächsten Woche feiert die Hansestadt den Geburtstag eines großen Sohnes: Wolfgang Koeppen (1906 bis 1996), einer der bedeutendsten Schriftsteller der Nachkriegszeit, wäre am 23. Juni 109 Jahre alt geworden. „,Der geborene Leser, für den ich mich halte‘ Wolfgang Koeppens Lektüre“, ist das Motto der Koeppentage, die an diesem Tag beginnen. Lesungen, Gespräche, Buchvorstellungen und mehr werden angeboten, bis zum 1. Juli. Letztes Jahr kamen knapp 200 Besucher. Auch eine besondere Premiere gehört diesmal zum Programm: eine Führung über den Alten Friedhof am 27. Juni. „Darauf freue ich mich sehr“, sagt Kati Mattutat, die Leiterin des Koeppenhauses, das beim Festival wieder den organisatorischen Hut aufhat. Kunsthistorikerin Anja Kretschmer soll den Friedhof und besonders das Grab von Koeppens Mutter Maria präsentieren. Auf dem steht dank einer Spendenaktion seit Montag ein Grabstein mit den Namen und Lebensdaten von Koeppens Mutter und von seiner Großmutter Emilie. Der Stein ist aus indischem Gneis, „Bahama blue“, wie Steinmetz Manfred Schapat als Fachmann sagt. Ein Greifswalder Friedhofsgärtner werde die Anlage noch aufwerten, kündigt er an. Während an Koeppens Großmutter auf dem Friedhof bislang gar nichts erinnerte, gab es für die Mutter immerhin ein Holzkreuz. Allerdings stimmten Geburtsjahr und Vorname darauf nicht. Anwesend bei der Aufstellung des Grabsteins war nun ein erfreuter Peter Multhauf. Der Greifswalder hat mit mehreren Initiativen großen Anteil daran, dass der Stein endlich gesetzt wurde. Das Holzkreuz wird in Zukunft im Koeppenarchiv der Universität in der Bahnhofstraße aufbewahrt. Das Archiv beteiligt sich wieder „maßgeblich“ am Programm der Koeppentage, wie Leiter Professor Eckhard Schumacher erklärt. Dazu gehöre eine Ausstellung zum Motto der Koeppentage, die am 23. Juni um 19 Uhr eröffnet wird. „Wir haben auch zwei Veranstaltungen mit Lesungen und Gesprächen mit prominenten auswärtigen Gästen organisiert.“ Dazu gehören die in Greifswald geborene Schriftstellerin Judith Schalansky und Raimund Fellinger, langjähriger Cheflektor des Suhrkamp-Verlages. Schumacher will gemeinsam mit Katharina Krüger den Abend mit diesen Promis moderieren. Auch die Neufassung des Wolfgang-Koeppen-Bandes in der renommierten Reihe „Text+Kritik“ stellen Schumacher und Krüger vor. Die Begegnung mit Judith Schalansky zählt für Kati Mattutat zu den Höhepunkten des Festivals. „Sie ist ja sehr sympathisch und humorvoll“, sagt sie. Am 1. Juli wird dann eine zweite Neuerscheinung präsentiert: die in Zusammenarbeit mit dem Koeppen-Archiv erschienene Edition von Koeppens Roman „Der Tod in Rom“. Deren Herausgeber, der Schriftsteller Hans-Ulrich Treichel und Raimund Fellinger, präsentieren das Werk. Die Literaturtage erinnern auch an den großen Förderer und Initiator der Gründung des Hauses: Günter Grass. Jörg-Philipp Thomsa, der Leiter des Günter Grass Hauses in Lübeck, wird am 25. Juni an den im April verstorbenen Literaturnobelpreisträger erinnern, informiert Mattutat. Die Koeppentage Die Ausstellung „‘Der geborene Leser, für den ich mich halte...‘ Wolfgang Koeppens Lektüren“ wird am 23. Juli um 19 Uhr im Koeppenhaus eröffnet. Eine Stunde später gibt es Lesungen und Gespräche mit Judith Schalansky und Raimund Fellinger. Lesen mit Wolfgang Koeppen heißt es am 24. Juni um 20 Uhr, Katja Klemt und Christian Holm präsentieren Auszüge aus den Werken von Schriftstellern, die ihm besonders nahestanden. Zur Führung mit Anja Kretschmer auf dem Alten Friedhof an der Wolgaster Straße zur Grabstelle von Maria und Emilie Koeppen wird am 27. Juni um 14 Uhr eingeladen. Mit einer kurzen Lesung aus der Erzählung „Jugend“. • www.koeppenhaus.de „Sie liebte Greifswald, das ihr Unglück brachte“ In dem 2000 erschienenen Band „Aus Wolfgang Koeppens erzählerischer Werkstatt“ steht im Kapitel „Frühe Versuche 1923 bis 1927“ der Text: „Der Tod meiner Mutter Maria“. Dort heißt es unter anderem: „1918 reifte der Entschluss in ihr, mit mir zurück nach Greifswald zu gehen und sich dort ein eignes, neues Leben zu zimmern. (Sie liebte Greifswald, das ihr Unglück brachte.) Im Frühjahr 1919 führte sie diesen Entschluss aus, und der Wind der Zeit wehte sie in eine enge Hofstube. Es ist ein Abend im April 1926. Ich sitze an meinem improvisierten Schreibtisch in der Dachstube, meiner Wohnung in der Langen-Reihe. Und vor mir steht Dein Krankenbild, Dein Sterbebild, und vor mir liegt das Heft, dessen Inhalt Du (sein solltest) und der zu höchst Torso blieb nach Deinem Tode... Der frühe Frühling. Jüngstes von den Sträuchern, entsprießt den Wässern, den Feldern, den Wiesen, den Gärten — und den Gräbern. Deinen Hügel deckt aber noch der Kränze Last. Sie sind verwelkt, verdorrt, verfault: vom Wind zerrissen sind die Schleifen. (Und ich habe kein Geld und meine Tante hat kein Geld, zu pflanzen Grün und Blumen, zu richten das Kreuz mit der Grabinschrift, die ich Dir schrieb.)“ Auch wenn Koeppen sagt, dass ihn die Greifswalder Menschen quälten, den Alten Friedhof nennt er schön. Eckhard Oberdörfer

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