Eine Königin bekommt endlich ihre Stimme zurück

Pütte — Der Orgelsachverständige Stefan Zeitz hat sein Okay gegeben: Der Krönung einer besonderen Königin steht nichts mehr im Wege — die Buchholz-Orgel in der Pütter Kirche kann nach fast anderthalb Jahren „Generalüberholung“ endlich wieder gespielt werden — und das fast mit dem kompletten originalen Pfeifenbestand. Das wird natürlich gefeiert. Am Sonntag um 14 Uhr lädt die Kirchengemeinde zum Gottesdienst mit Pastor Stefan Busse ein. Da wird die Orgel nach langer Pause zum ersten Mal wieder erklingen. Um 16 Uhr steht die Königin der Instrumente dann ganz allein im Mittelpunkt — wenn Landeskirchenmusikdirektor Frank Dittmer ein Orgelkonzert mit relativ unbekannten Werken spielt. So hat sich der 50-Jährige für diesen besonderen Anlass August Wilhelm Bach, Theophil Forchhammer, Wolfgang Stockmeier, Adolph Hesse und Gustav Adolf Merkel ausgesucht. Der ehemalige Kantor von St. Nikolai in Stralsund bringt aber auch Improvisationen zum Luther-Choral „Die beste Zeit im Jahr ist mein“ zu Gehör. Eigentlich sollte die Orgel schon im letzten Herbst restauriert sein. Denn bereits im November 2013 starteten mit dem Austausch des Winderzeugers die ersten Schritte der lang ersehnten Orgelsanierung. Im April 2014 stand die Orgel nur noch als leere Hülle in der Kirche, denn Pfeifen und Mechanik wurden ausgebaut und mit ganz speziellen und filigranen Techniken wieder aufgearbeitet. „Wir hatten starke Verschmutzungen und Deformationen, auch der Holzwurm hatte dem Instrument arg zugesetzt“, sagt Pastor Stefan Busse. Doch als Orgelbauer Johann-Gottfried Schmidt aus Rostock nach Reinigung und Reparatur die Orgel im September 2014 wieder zusammenbauen wollte, kam Erschreckendes zu Tage: Bestimmte Ventile in der Windlade schlossen nicht richtig, es gab so genannte Heuler. „Das können wir so nicht lassen“, sagte der Orgelbauer, übrigens auch Tischler und Spezialist für historische Tasteninstrumente. Die Windladen mussten also wieder raus — das kostete Zeit und zusätzliches Geld. Hatte man zuvor rund 42000 Euro veranschlagt, kamen nun noch einmal 8000 Euro dazu. Der letzte Winter mit einer Raumtemperatur von vier Grad und 88 Prozent Luftfeuchtigkeit machte ein Weiterarbeiten in der Kirche unmöglich. Bis zum Frühjahr 2015 dauerte die Zwangspause. „In einem Folienzelt wurde dann weiter gemacht. Als der Orgelbauer sein Werkzeug eingepackt hatte, rückte der Intonateur an. Und da hatten wir großes Glück“, erzählt der Pastor. Der Amerikaner Ryan Albshian, der in Stralsund lebt, in seiner Heimat aber ein gefragter Fachmann der Orgel-Klangbearbeitung ist, hat im Winter monatelang im Pütter Gemeinderaum gesessen. Jede der 756 Pfeifen, ob nun aus Holz oder Metall, hat der 36-Jährige so zum Klingen gebracht, wie es sich Buchholz für seine Orgel wohl gewünscht hätte... Die Intonation in der Kirche war schnell erledigt. Und jeder, der sich jetzt schon einmal ans Instrument traut, ist begeistert. „Pütte hat jetzt eine romantische Orgel, auf der man auch Barockes spielen kann“, freut sich auch Stefan Busse. „Es hat zwar länger gedauert, als wir geplant haben, aber dafür ist die Orgel jetzt von Grund auf restauriert worden, und das in bester Qualität.“ Der Pastor möchte dafür allen Beteiligten danken. Landeskirche, Denkmalpflege, Kirchenkreis, Gemeinde, Union der evangelischen Kirchen und der Förderverein der Kirchen in Pütte und Niepars haben mit Förderungen und Spenden ermöglicht, dass die 1828 von Carl August Buchholz gebaute Orgel wieder für einen Hörgenuss sorgt. Spuren zweier Genies: Von Buchholz gebaut, von Mehmel verändert Carl August Buchholz hat die Pütter Orgel 1828/29 gebaut. Auch alle Pfeifen kamen aus seiner Hand. Er war ein mathematisch-physikalisches Genie. 1829 hat sein Geselle Christian Speckmann das Instrument in Pütte aufgebaut und verewigte diese Information im Holz. 756 Pfeifen hat die Pütter Orgel, sie sind fast alle im Original erhalten, und das hat Seltenheitswert in Vorpommern. 13 Register hatte das Instrument, als Buchholz es baute. Mehmel hat 1866 noch eins dazu gebaut, als die Orgel vom Boden auf die Empore gehoben wurde. Ein Register ist eine Gruppe von Pfeifen, die jeweils ein Instrument vertonen: so zum Beispiel Hohlflöte, Gambe, Rohrflöte, Posaune oder Violon. 1997 wurde in Pütte der Turm saniert, dann folgten die Fenster auf einen Schlag. Als dann endlich die Orgel restauriert werden sollte, zeigten sich Risse im Chorraum, Fundament und Pfeiler mussten saniert werden... Doch die Orgel haben Kirchengemeinde und Förderverein nie aus den Augen verloren. Ines Sommer

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