Eine Königin wartet auf ihre Stimme

Weihnachten ohne Orgel — das müssen die Pütter und ihre Familien in diesem Jahr irgendwie verkraften. Die Einweihung des restaurierten Instruments, die für diesen Sonntag geplant war, muss verschoben werden, weil sich die Sanierungsarbeiten verzögern. „Wir haben festgestellt, dass dringend noch Nacharbeiten erforderlich sind, deshalb können wir den Termin nicht halten. Aber uns ist es wichtig, keine halben Sachen zu machen“, sagt Pastor Stefan Busse. Er ergänzt: „Wenn wir die Orgel einweihen, soll sie auch gut klingen. Ich denke, die Menschen haben dafür Verständnis.“ Eine Luftfeuchtigkeit von 88 Prozent in der Kirche und drei Grad Lufttemperatur machen Holz- und Leimarbeiten unmöglich. Und auch ein Ausbau und das Weiterarbeiten in warmen Räumen sei unmöglich, da würde das Holz sofort auseinanderbersten, erklärt Stefan Busse. Zum Heiligabend 2013 haben sich die Gottesdienstbesucher von ihrer Orgel in der Dorfkirche verabschiedet. Das Instrument wurde zum letzten Mal gespielt, dann begann Schritt für Schritt die Sanierung. „Das Gute war und ist, dass es sich bei unserer Kirche um ein offenes Denkmal handelt. Das heißt, alle in der Gemeinde konnten den Baufortschritt verfolgen“, so der Pastor. Besonders interessant seien die Ausführungen des Orgelbauers zum Tag des Denkmal im September gewesen. Viele Neugierige kamen, um möglichst viel zu erfahren. Das Besondere der Buchholz-Orgel ist, dass sie noch viele Original-Pfeifen hat. Allerdings wurde 1917 der Prospekt — also die sichtbaren Pfeifen — abgebaut. Man brauchte das Material für militärische Zwecke. Dafür hat man rot-braune Tücher vorgespannt, die bis vor kurzem das Instrument verhüllten. Jetzt sind sie bereits verschwunden, und die Kirchenbesucher können sich schon auf den neuen Orgelanblick freuen. Und erst recht auf den Klang. Dafür arbeiten Orgelbauer Gottfried Schmidt aus Rostock und Intonateur Ryan Albashian, der für Tonbildung und Stimmen des Instruments zuständig ist. „Einige Töne, die durch Luft und Gebläse entstehen, vermitteln den Charakter von Streichinstrumenten“, schwärmt Stefan Busse, der im schräg gegenüberliegenden Pfarrhaus wohnt. Er erklärt, dass ein Register — die Pfeifenreihe mit der „Stimme“ der Posaune — nicht mehr bespielbar war. Jetzt werden neue Schallbecher aus Holz gemacht, um das Ganze wieder zum Klingen zu bringen. 48000 Euro kostet die Erneuerung der Pfeifen und der Umbau der Orgel. Allein 8000 Euro haben die Mitglieder der Kirchengemeinde gesammelt. „Da merkt man, dass sich unsere Leute mit ihrer Kirche und auch mit der Orgel identifizieren. Das ist richtig toll. Wir haben das schon daran gemerkt, wie groß die Anteilnahme an den Bauarbeiten war“, erzählt Pastor Busse. Doch auch der Förderverein der evangelischen Kirchen Pütte und Niepars, das Landesamt für Kultur und Denkmalpflege, die Nordkirche und die Union der evangelischen Kirchen und der Kirchenkreis haben großen Anteil daran, dass die Pütter Königin bald ihre wohlklingende Stimme zurückbekommt. Franzosen machten in Pütte Altar zur Feuerstelle und verheizten das Gestühl Die Dorfkirche Pütte ist eine dreischiffige Hallenkirche. Das Kirchenschiff weist drei Joche auf, der ältere Chor ist einjochig ausgeführt und hat einen fünfseitigen Abschluss. Mit dem Bau der Kirche wurde in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts begonnen. Der Kirchturm stammt aus dem 15. Jahrhundert. 1806/07 diente die Kirche den französischen Besatzungstruppen als Backhaus, aber auch als Fleischerei. Sie haben die Einrichtungsgegenstände zerstört, verheizten alle Holzteile und machten den Altar zur Feuerstelle. Eine Sonnenuhr aus der Zeit um 1800 ist an der Südseite auf einer Kalksteinplatte angebracht. 1866erfolgte eine neogotische Gestaltung. Die Balkendecke wurde durch ein Gewölbe ersetzt. Für die Neugestaltung wählte man einen Kanzelaltar, obwohl der seine Blütezeit eigentlich schon hinter sich hatte. Die Bänke sind älter und stammen aus der Stralsunder Jakobikirche. Der Terrazzo-Fußboden wurde 1890 von italienischen Handwerkern verlegt. Erhalten sind auch zwei Grabplatten aus Kalkstein, die Gotan und Paul Mörder gewidmet sind. 1828 wurde die zweimanualige Orgel mit Pedal und 14 Registern in der Berliner Werkstatt von Carl August Buchholz gebaut. Einige Pfeifen sind heute noch im Original erhalten. Die Orgel in der Pütter Kirche wurde im Zuge der Neuausstattung der Kirche 1866/67 durch den Stralsunder Orgelbauer Mehmel auf die Westempore versetzt und mit dem Register „Hohlflöte“ ergänzt. Der Orgelprospekt wurde 1917 kriegsbedingt entfernt und nicht wieder ergänzt. Das Orgelgehäuse weist einen neugotischen Prospekt mit Fialengliederung, Kleeblattbogenfriesen und aufgemalten Vierpässen auf. Reste einer Wandmalerei mit Abendmahlsszene aus dem 14. Jahrhundert im Südschiff sind ebenso sehenswert wie die kelchförmige Taufe aus dem 14. Jahrhundert und die Pastorengedenktafel ab 1527. Außerdem befindet sich in Pütte die Grabstelle des Malers Professors Gustav Pflugradt, einem Großneffen des Malers Caspar David Friedrich. Ines Sommer

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