„Es ist derzeit grenzwertig“

Ribnitz-Damgarten — Die Galerie im Kloster in Ribnitz-Damgarten zeigt vier Ausstellungen gleichzeitig, hat seltene Werke von Lyonel Feininger als Zugpferd, die Besucherzahlen steigen. Dennoch steht das Kunsthaus offenbar kurz vor dem Aus. Die OZ hat mit Gabi Raskop, Leiterin der Galerie, über die aktuelle Situation gesprochen. OSTSEE-ZEITUNG: Wie ist es um die Galerie derzeit bestellt? Raskop: Nach außen hin dürfte niemand bemerken, wie schwierig die Zeiten für uns geworden sind. Einerseits bin ich total glücklich, weil wir inhaltlich in den letzten Jahren sehr viel geschaffen haben. Wir haben mit einer Grafik angefangen und wurden belächelt. Über die Jahre ist das gewachsen. Das Kunsthaus gewinnt immer mehr an Bedeutung. Andererseits ist das ganze System nur noch sehr schwer zu finanzieren. Es ist derzeit grenzwertig. OZ: Wo liegen die Probleme konkret? Raskop: Unser Hauptproblem ist, dass wir die Arbeit personell nicht mehr schaffen. Wir haben zwei Minijobber, die den gesamten Finanz- und Personalbereich machen müssen. Das sollen die in jeweils elf Stunden pro Woche schaffen. Mich selbst betrifft das auch. Ich habe auch nur einen Halbtagsjob als Honorarkraft und arbeite auch dreimal so viel. Rechnet man das fehlende Personal um, dann ist das eine fünfstellige Summe, die fehlt. Zweitens sind die Fixkosten gestiegen. Die Nebenkosten haben sich fast verdoppelt. Wir haben ein Gesamtbudget von 70000 Euro, rund 40000 Euro davon über Zuschüsse. Der Rest muss irgendwie über andere Quellen eingebracht werden. Das ist leider meine Hauptaufgabe geworden, Geld zu sichern. Mit der Kunst beschäftige ich mich immer weniger. Das ist sehr unbefriedigend. OZ: Wie haben sich die Besucherzahlen entwickelt? Raskop: Es läuft in diesem Jahr auf 4000 bis 5000 Besucher hinaus. 2014 waren es nicht ganz 4000. Jetzt sind wir schon bei 2800. Dieser Sommer hat uns umgehauen. Wir hatten bis zu 78 Besucher an einem Tag. Wir haben tendenziell mehr Besucher, obwohl wir aus Personalnot an zwei Tagen in der Woche schließen müssen. OZ: Wie schwerig ist das Einwerben von Spenden geworden? Raskop: Es gibt in der hiesigen Region nicht so viele große Firmen. Die, die man ansprechen könnte, haben natürlich auch ihre Förderstrecken. Mal ist es der Sport, mal andere Bereiche. Das ist alles wichtig, da will ich jetzt nichts vergleichen, Hauptsache die Firmen engagieren sich überhaupt. Wir sind sehr erfolgreich mit Privatspenden gewesen, allerdings für abgeschlossene Angelegenheiten wie Ankäufe. Manche private Spender geben immerhin fünfstellige Summen. OZ: Wo kann man aus Ihrer Sicht ansetzen, um vor allem die finanzielle Situation zu entspannen? Raskop: Wir sind in Sachen Sparsamkeit beim Limit angekommen. Mehr geht nicht. Wir haben fünf Wechselausstellungen, die kosten ihr Geld, das wird alles sparsamst gemacht. Wir erwärmen im Winter unseren Arbeitsplatz, alle anderen Heizkörper lassen wir auf eins. Licht nur, wenn Besucher da sind. Die Kosten sind explodiert, da kann man nichts dran machen. OZ: Was kann man dann tun? Raskop: Wir hoffen auf neue Verträge mit dem Landkreis. Die sind elf Jahre alt. Die wurden geschlossen auf Basis der damaligen wirtschaftlichen Bedingungen, die sich mittlerweile aber enorm verändert haben. Entweder erkennt man das an oder wir müssen die Konsequenzen tragen. OZ: Sind vier Ausstellungen gleichzeitig vielleicht etwas zu viel? Raskop: Es muss ja auch Leben in einem solchen Haus herrschen. Wir haben einen festen Stamm, der sich für Kunst interessiert. Und hier in Ribnitz sind wir die einzigen, die Profikunst zeigen. Das Haus zu verkleinern, bringt uns nicht viel, weil die Nebenkosten sehr hoch sind und der Spareffekt gering wäre. Klar, man könnte die Sammlungen von Stadt und Landkreis zurückgeben. Unter Umständen müssen wir das sogar, weil wir sie nicht mehr beherbergen können. Aber für mich ist das eigentlich besonders wertvoll, weil wir jetzt dem Besucher Vielfalt anbieten können. Etwas wegzulassen, wäre kontraproduktiv. OZ: War es denn richtig, vom Eintrittspreis abzusehen und stattdessen auf Spenden der Besucher zu hoffen? Raskop: Das wird sich noch herausstellen. Das läuft seit Dezember 2014. Den Tipp habe ich von einem Museum in Rostock bekommen, da läuft das gut. Die haben mehr Spenden als vorher Einnahmen durch Eintritt. Die Tendenz ist leider bei uns noch nicht da. Wir haben zwar mehr Besucher. Die Scheu, 2,50 zu zahlen, ist weg. Die meisten schmeißen was rein, manche eben auch nicht. OZ: Aber 2,50 Euro für das Angebot ist doch nicht viel? Raskop: Das stimmt, das ist nicht viel. Aber die Blockade hier nochmal 2,50 zu zahlen, wenn man aus dem Bernsteinmuseum kommt, ist groß, zumal das Haus auf den ersten Blick nicht erkennen lässt, was es hat. Ein Kombiticket haben wir leider nicht hingekriegt. Das ist aber auch ein Thema, das mich allgemein beschäftigt. Das ist die Zusammenarbeit der Tourismuseinrichtungen in Ribnitz-Damgarten und in der Region insgesamt. Es ist so schwer, eine gemeinschaftliche Arbeit, Werbung oder Unterstützung hinzubekommen. OZ: Ist Konkurrenzkampf der Grund? Raskop: Das würde ich so nicht sagen. Eher Desinteresse. Wir kooperieren mit Galerien auf Fischland/Darß, arbeiten sehr gut zusammen, obwohl wir Konkurrenten sind. Hier in der Stadt und der Region ist das sehr zäh. OZ: Ist die Lage der Galerie vielleicht ein Grund für die Misere? Raskop: Die Klosteranlage ist das Schönste, was die Stadt zu bieten hat. Es ist schwer zu sagen. Ich bin hier gerne. Vielleicht wären wir in unmittelbarer Nähe zum Bernsteinmuseum besser aufgehoben. Das kann möglich sein. OZ: Braucht es mehr Werbung? Raskop: Wir haben in den letzten drei Jahren die Werbung erhöht, hatten auch mehr Besucher. Aber das heißt nicht, dass wir damit schon am Ende der Fahnenstange angelangt sind. Wir müssen vor allem für jüngere Leute werben, etwa bei Facebook. OZ: Zwei Euro kostet es, wenn man sich ein echtes Kunstwerk bei Ihnen einen Monat lang ausleihen möchte. Warum nur zwei Euro? Raskop: Das ist ein Service, der angenommen wird, er schlägt aber nicht so sehr zu Buche. Selbst wenn wir zehn Euro nehmen würden, würde das unsere Einnahmesituation nicht erheblich verbessern. Deutschlandweit sind zwei Euro ein Durchschnittswert. Es soll ja auch für jeden zugängliche Kunst sein. Wir haben insgesamt rund 260 Werke, wir haben davon ein paar Dauerleihgaben in den Amtsstuben oder in der Bibliothek, etwa 20 bis 30, und privat ausgeliehen sind etwa 30 bis 40 Werke. OZ: Wie lange kann die Galerie unter den aktuellen Umständen noch überleben? Raskop: Gute Frage. Manchmal denke ich, die Grenze ist bereits überschritten. Man kann zwar immer mehr arbeiten. Aber wir haben auch eine Verantwortung. Ich merke, ich schaffe einige Sachen definitiv nicht mehr. Im Grunde waren wir im April schon mal kurz zahlungsunfähig. Wenn sich nichts ändert, dann müssen wir nächstes Jahr die Zahlen auf den Tisch legen, dann muss entschieden werden. Kunstverein wurde 1993 gegründet Der Kunstverein, Träger der Galerie im Kloster, wurde 1993 gegründet. 2003 zog die Galerie aus Räumen im Bernsteinmuseum in das jetzige Gebäude im Kloster 9 um. Der Verein hat etwa 40 Mitglieder, überwiegend aus der Region, aber auch aus Hamburg oder Köln. Die Galerie beherbergt vier Ausstellungen. Der bedeutendste Name ist Lyonel Feininger bzw. das Feininger-Kabinett. Er lebte 1871 bis 1956 und hat Ribnitz zweimal besucht. Feiniger hat zahlreiche Werke aus seinen Skizzen von 1905 und 1921 geschaffen, die weltberühmt sind. Ausgestellt sind in der Galrie Werke von ihm, die Ribnitz zeigen. Außerdem gibt es eine Wechselkunstausstellung. Fünf Mal im Jahr wird ein neuer Künstler gezeigt, den der Galeriebeirat aus den Bewerbern auswählt. Seit 2004 beherbergt die Galerie 500 Werke der Kreiskunstsammlung, von denen immer etwa 20 bis 30 im großen Saal ausgestellt werden. Einmal im Jahr werden die Kunstwerke ausgetauscht. Die städtische Kunstsammlung hat das Museum seit dem vergangenen Sommer. Diese Kunstwerke sind als Artothek konzipiert, das heißt, man kann diese Kunst privat ausleihen. WORT ZUM SONNTAG „Siehe, Interview von Robert Niemeyer

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