Kann Fotografie im Zeitalter des Selfie Stick noch preiswürdig sein? Unbedingt! Das zeigt die Auswahl der fünf nominierten Künstler für den Rostocker Kunstpreis. Diese Arbeiten, die ab Sonntag in der Rostocker Kunsthalle zu sehen sein werden, befinden sich jenseits der Facebook-Bilderflut-Liga. Darunter finden sich fotografische Selbstinszenierungen, Landschaften, die wie naturalistische Gemälde anmuten oder Dokumentationen in Schwarz-Weiß.
Zum 14. Mal vergibt der Verein der Freunde und Förderer der Kulturstiftung Rostock den Rostocker Kunstpreis. Erst zum dritten Mal wird der Preis im Bereich Fotografie verliehen. Aus 67 Bewerbern hat eine Jury fünf Kandidaten ausgewählt. Am 30. November wird der Preisträger verkündet. Das Preisgeld in Höhe von 10 000 Euro wird von der Provinzial-Versicherung bereitgestellt.
Galerie: Die Nominierten zum Rostocker Kunstpreis
Gerhard Stromberg
Gerhard Stromberg wurde 1952 in Ludwigshafen geboren und der älteste Kandidat. Seit 2011 lebt und arbeitet er in Goldberg. Seine Ausbildung absolvierte er an der Düsseldorfer Kunstakademie bei Bernd Becher, der zusammen mit seiner Frau Hilla zahlreiche heute berühmte Fotografen ausgebildet hat.
Strombergs Motive findet die Motive oft auf seinen Reisen – nach Ungarn, Indien, Italien oder Frankreich. Er beschäftigt sich mit dem Verhältnis des Menschen zur Landschaft und sagt: „Natur ist außerhalb unseres Selbst. Die Landschaft dagegen entsteht aus uns, aus unseren Ideen und Vorstellungen“.
Jaqueline Duhr
Ursprünglich aus Frankfurt/Oder kommt die 1983 geborene Jaqueline Duhr. Sie studierte in Berlin und Greifswald und lebt seit 2014 in Rostock. In ihren farbintensiven Fotoserien inszeniert sie sich meist selbst. Mal ist sie dabei Jesus, mal nackte Femen-Aktivistin, mal Braut oder Hausfrau.
Wie sonst nur Cindy Sherman legt sie jede Eitelkeit ab und verschmilzt mit ihren Protagonisten. Aber nicht die Verkleidung ist ihr Thema. Vielmehr handelt es sich um vieldeutbare Inszenierungen von Protestbewegungen, Stadträumen, Landschaften, Menschen oder Porträts, die gesellschaftspolitische Botschaften vermitteln.
Der 14. Kunstpreis
Die Eröffnung der Ausstellung mit Werken nominierten Künstlerinnen und Künstler in der Kunsthalle Rostock findet am 10. November 2019 um 16.00 Uhr statt.
Die Preisverleihung erfolgt am 30. November um 16.00 Uhr.
Sandra Schubert
Die Rostockerin Sandra Schubert wurde 1977 geboren. Sie arbeitet zwischen Leipzig und Warnemünde. Ihr Studium hat sie in Leipzig bei Tina Bara absolviert, die auch Mitglied der Jury zum Kunstpreis ist. Schubert arbeitet mit analogen Groß- und Mittelformatkameras und fertigt die Abzüge ihrer Fotografien per Hand in der Dunkelkammer an. Ihre Arbeiten befassen sich mit ihren Wurzeln in der Region und dem Meer.
Die Serie „Shipspotting“ wirkt dabei fast amateurhaft aus der Perspektive eines Reisenden aufgenommen, der von einem Schiff andere vorbeifahrende Schiffe knipst. Dabei darf der Horizont schon einmal schief verlaufen. Parallel arbeitet Schubert an Langzeitdokumentation von Räumen, Gebäuden, Gegenständen, Tieren und Autos vor allem in Schwarz-Weiß.
Eckart Pscheidl-Jeschke
Eckart Pscheidl-Jeschke ist 1970 in Greifswald geboren worden. Er lebt und arbeitet auch dort. Seine Ausbildung absolvierte er unter anderem an der renommierten Ostkreuz-Schule in Berlin. Seit 2011 ist er selbst Dozent an der Neuen Schule für Fotografie in Berlin. Aus dem Werkzeugkasten fotografischer Techniken entnimmt Pscheidl-Jeschke immer das beste zum Vorhaben passende Verfahren.
Digitale Technik kommt ebenso zum Einsatz wie analoge mit der großformatigen Plattenkamera. Die Verbindung von Natur und Urbanem ist eines seiner Grundthemen. Seine Bilder hat Pscheidl-Jeschke bisher in Ausstellungen unter anderem in Greifswald, Stralsund, Berlin, Dresden, im französischen Arles und in Kansas City (USA) gezeigt.
Carina Linge
Mit Mecklenburg-Vorpommern verbindet Carina Linge ihre Studienzeit in Greifswald und ihre Liebe zu Caspar David Friedrich. Sie wurde 1977 in Cuxhaven geboren und lebt heute in Leipzig. Ihre vielschichtigen Farbfotografien sind oft inszenierte Interieurs, Stillleben, Körperbilder und Porträts von Frauen – aufgeladen mit symbolischen Verweisen.
Die Arbeiten erinnern in Farbgebung, Format und Aufbau oft an altbekannte Gemälde. Da schwebt ein Brief durch das Fenster, vor dem wir die Frau mit dem Perlenohrring von Jan Vermeer erwarten. Eine Nackte steigt eine Treppe hinab – als hätte Gerhard Richter sie eben erst gemalt. Ob Caravaggio oder Leonardo da Vincis Frau mit dem Hermelin – Linge bedient sich der ästhetischen Auffassung und überführt sie in die Gegenwart.
Die Preisträger seit 2006
2006 gewann im Genre Malerei der Rostocker Künstler Jürgen Weber (82). Dann folgten der Rostocker Bildhauer Thomas Jastram (59), der jetzt in Hamburg lebt, der Grafiker Wilfried Schröder (73) aus Kühlungsborn, der Fotograf Tim Kellner (42) aus Rostock, der Maler Matthias Wegehaupt (80) von der Insel Usedom, die Grafikerin Iris Thürmer (56) aus Wolthof, die Bildhauerin Ruzica Zajec (59) aus Kaarz, der Fotograf Heiko Krause (44) aus Greifswald, der Maler Klaus Walter (63) aus Berlin, die Bildhauerin Anna Martha Napp (36) aus Lübow und der Grafiker und Zeichner Felix Baxmann (31) aus Berlin. 2018 ging der Preis im Genre Malerei an Kathrin Harder aus Eichwalde.
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Von Juliane Schultz