Glänzende Premiere ausverkauft: Störtebeker kämpft wieder

Vor mehr als 8000 Zuschauern auf ausverkauften Rängen haben die 23. Störtebeker-Festspiele in Ralswiek begonnen. Trotz kühler Temperaturen sorgte das Team mit 120 Mitwirkenden auf der Naturbühne am Samstagabend für eine glänzende Premiere. Das Publikum erlebte eine Freilicht-Inszenierung mit Action, Pyrotechnik, Stunts, aber auch leisen Dialogen und einer anrührenden Sterbeszene am Schluss. In den Armen des Piraten (Bastian Semm) stirbt seine geliebte Nadeshda (Anika Lehmann). Störtebeker geht als gebrochener Held von der Bühne. Das Stück „Aller Welt Feind“ führt den Piraten von Gotland nach Nowgorod, wo er zur Figur im Intrigenspiel des russischen Großfürsten Wassili (Mario Ramos) wird. Unter der Regie von Thomas Schendel zeigt es den dritten Teil einer fünfteiligen Serie. Bislang wurden nach Theaterangaben für die 67 Vorstellungen bis Anfang September etwa 186000 Karten verkauft. Trotz düsterer Wetterprognosen — Schauer und Gewitter — begann die Premiere unter azurblauem Himmel. So begrüßte Intendant Peter Hick gut gelaunt die Premieren-Gäste und freute sich über die optimalen Wetterbedingungen. Und die Zeitreise in das Jahr 1397 nahm ihren Lauf und ließ die Zuschauer tief ins Mittelalter eintauchen: Unweit der Stadt Nowgorod ließ der machtbesessene Großfürst Wassili (in seiner Bosheit glänzend dargestellt) das Gold des Nordens, wie der Bernstein damals auch genannt wurde, von seinen unterjochten Arbeitern in einer Mine abbauen. Um ihr armseliges Leben etwas aufzubessern, verkauften sie Bernstein am Großfürsten vorbei und bekamen dafür eine brutale Quittung. Mit harter Hand und menschenverachtenden, drakonischen Maßnahmen ging Wassili gegen das eigene Volk vor. So wurden in einem Holzverschlag zusammen geferchte Menschen ein Opfer der Flammen. War dies eine Anspielung auf den Kiewer Brandanschlag im dortigen Gewerkschaftshaus, wo im Februar 2014 knapp 30 unschuldige Menschen zu Tode kamen? Ein aktueller Bezug auf die Ukraine-Krise in der aktuellen Störtebeker-Inszenierung wäre im besten Sinne des Wortes ein starkes Stück. So ließ Regisseur Schendel einen Darsteller im Nebensatz sagen, dass „ein Menschenleben in Russland nicht viel wert sei“. Den bisherigen Aufführungen wurden bisweilen ahistorische Episoden unterstellt. Und auch die Drehbücher seien immer anspruchsloser für die Darsteller geworden — das behauptete zumindest ein im Streit gegangener ehemaliger Störtebeker-Mime. Der aktuellen Inszenierung können solche Vorwürfe nicht gemacht werden, da kaum Plattitüden über die Lippen der Schauspieler kamen. An frivolen Späßen fehlt es dem Stück dennoch nicht, weil der Umgangston im Mittelalter ganz sicherlich sehr viel rauer war als heute. Nicht zuletzt betonte die Sprecherstimme aus dem Off, dass sich die Geschichte um Klaus Störtebeker so zugetragen haben könnte. Selbstironisch zeigte sich zum Schluss Hauptdarsteller Bastian Semm. Er versprach, in dieser Saison keinen Kniefall auf der Bühne hinzulegen. Noch 2014 hatte er seiner Geliebten einen Heiratsantrag gemacht. Aber Claudia Gaebel hat ihm inzwischen den Laufpass gegeben (die OZ berichtete). Zudem erinnerte Semm an den 2014 verstorbenen Thomas Kognak. Der hatte als „Kurzer“ bei den Festspielen zu den Publikumslieblingen gehört. Den einsetzenden Regen verglich Semm mit den Tränen des Glücks, die der „Kurze“ im Himmel weinte, weil er so begeistert von der Inszenierung sei. Christian Röde L und Martina Rathke

Ralswiek - Glänzende Premiere ausverkauft: Störtebeker kämpft wieder