Ibsen und ein deutsch-deutsches Endspiel

Henrik Ibsen schrieb „Hedda Gabler“ 1890 in Norwegen. 1891 hatte es am Thalia-Theater Hamburg seine deutsche Erstaufführung. Seitdem hatte es unzählige Premieren in allen großen und kleinen deutschsprachigen Häusern. Ibsen ist unübertroffen. Bis heute muss man Ibsen zitieren, wenn man die Brüchigkeit bürgerlicher Lebenssphären darzustellen versucht. Am Freitag hat „Hedda Gabler“ im Großen Haus in Stralsund Premiere. Und wie es aussieht, ist es auch an der Zeit, denn das Stück weist eine unerhörte Aktualität auf. Auf der Bühne bildet sich das in dekadenter Großzügigkeit ab. Ein Riesen-Salon. Zwei Designer-Sofas, so weit voneinander entfernt, dass es geradezu plakativ wirkt, wie wenig in der Ehe zwischen Hedda Tesman, geb. Gabler, und ihrem Mann, Jörgen Tesman, nach sechs Monaten noch läuft. Und mit diesem symbolisch „auseinandergesägten Ehebett“, wie Bühnenbildner Giovanni die Paulis das Bild auch deutet, macht Regisseur Reinhard Göber das Publikum zum Voyeur. Jörgen Tesman entstammt einer Schicht, in der man nicht nur Geld sondern auch den Eliten-Status erbt. Ibsen hat mit Tesman den narzisstischen Prototyp unserer Tage prophetisch beschrieben. Hedda, seine Frau, so erklärt der Regisseur die Figur, ist über den Punkt hinaus, dass man sich mit Arbeit emanzipiert. Sie ist unzufrieden und melancholisch in ihrem Überfluss, läuft aber zu Hochform auf, als sie endlich etwas zu tun bekommt. Eilert Lövborg taucht aus ihrer Vergangenheit auf und wird nicht um ihretwillen sondern um seiner Karriere willen zu einem Konkurrenten ihres Mannes. Ibsen hat Hedda nur eine Requisite auf die Person geschrieben: einen Revolver. Und den wird sie benutzen. Hedda Gabler ist kein Flintenweib, sie tut das alles sehr kapriziös. So steht es jedenfalls in der Vorlage. Was der Regisseur damit macht, wird sich am Freitag zeigen. Soviel sagt er, dass es ein „deutsch-deutsches Endspiel“ werden wird. Und stellt eher Fragen: „Ein Teil Deutschlands hat sich vor 25 Jahren für ein bürgerliches Leben entschieden. Welche Hoffnungen und Wünsche waren daran geknüpft? Ist man jetzt enttäuscht? Warum wissen immer alle, wogegen sie sind? Aber wer sagt, was er wirklich will?“ Das Stück, sagte Ibsen selbst über Hedda Gabler, soll vom Unerreichbaren handeln. Vom Streben und Trachten nach etwas, das der Konvention, dem Herkömmlichen, im Bewusstsein widerspricht, auch bei Hedda! Im materiellen Überfluss trotzdem ganz nah an der Depression, der Volkskrankheit des Turbokapitalismus, vor dem damals gerade ein Karl Marx warnte, wie heute die Globalisierungsgegner vor dem Kollaps. Reinhard Göber stellt die Frage, was sich von den Idealen der bürgerlichen Revolution von 1989 in den Wohn- und Schlafzimmern des Landes eingelöst hat. Er nimmt den Theaterraum als das wahr, was es sein sollte. Als einen Ort des gesellschaftlichen Diskurses. Weitere Aufführungen 9 Mal ist das Stück „Hedda Gabler“ in den nächsten Monaten in der Region zu sehen. Großes Haus in Stralsund: 6. März um 19.30, 8. März um 16 Uhr, 28. März um 19.30 Uhr, 18. April um 19.30, 23. Mai um 19.30 Uhr Theater in Putbus auf Rügen: 13. März um 19.30 Uhr, 20. Juni um 20 Uhr Großes Haus in Greifswald: 1. Mai um 20 Uhr, 10. Mai um 16 Uhr Karten gibt es unter der Telefonnummer ☎ 03831/2646124 Juliane Voigt

Stralsund - Ibsen und ein deutsch-deutsches Endspiel