Intendant: Details sind völlig ungeklärt

Stralsund/Greifswald — Das Theater Vorpommern steht vor schwerwiegenden Veränderungen, denn nach dem Willen der Landesregierung soll es mit Neubrandenburg und Neustrelitz zum Staatstheater Ost fusionieren. Darüber und über aktuelle Projekte im Haus sprach die OSTSEE-ZEITUNG mit Intendant Dirk Löschner. OZ: Wie ist die Stimmung im Haus? Dirk Löschner: Was die Arbeit betrifft, nicht schlecht, denn wir haben viele Produktionen, die momentan Begeisterungen auslösen. Wir haben gute Zuschauerzahlen, was ins Ensemble zurückspiegelt. Dennoch spüre ich natürlich große Verunsicherung durch die anhaltende Diskussion um die Zukunft des Theaters. Viele sind unsicher, was eine Fusion letztlich bedeutet. Die Musiker stellen auch die Frage, ob unser Orchester weniger wert sei. Es ist nicht leicht, dem entgegen zu treten. OZ: Gibt es denn überhaupt schon einen Zeitplan für eine Fusion? Löschner: Nein. Ich weiß nicht, ob es realistisch ist, dass das fusionierte Theater mit der Spielzeit 2017/18 starten kann. Es sind einfach zu viele Details derzeit noch ungeklärt. OZ: Sie sagen, dass wieder mehr Zuschauer kommen. Ist damit die Durststrecke, die es nach Ihrer Übernahme als Intendant 2012/13 gab, überwunden? Löschner: Ja. In der letzten Spielzeit kamen 173 400 Besucher, 24 Prozent mehr als davor. Für die aktuelle Spielzeit habe ich noch keine Zahlen. Sie werden aber — nach der bisherigen Entwicklung zu urteilen — noch höher liegen. Die Konzerte laufen bombastisch und auch „Die Feuerzangenbowle“ ist ein absoluter Renner. Wir haben ein hervorragendes, gerade für Mozart, nahezu perfektes Musiktheaterensemble, fabelhafte neue Tänzerinnen und Tänzer, ein Spitzenergebnis der Ballettgala und viele hochzufriedene Besucher beim Weihnachtsmärchen. OZ: Es gab aber im Dezember auch schlecht besuchte Vorstellungen, wie „Anatevka“ in Stralsund und „Der Bettelstudent“ sowie die Premiere der „Komödie im Dunkeln“ in Greifswald. Löschner: Die Premiere war zeitgleich mit dem verkaufsoffenen Sonnabend. Das war unglücklich. OZ: Kann man so etwas nicht vorhersehen? Löschner: Wenn wir unsere Festlegungen treffen, stehen viele andere Veranstaltungen noch nicht fest. OZ: Das Weihnachtsshopping ist in Greifswald aber immer am Sonnabend vor dem zweiten Advent. Löschner: Aber wir müssen bei unserer Spielplangestaltung natürlich vieles beachten, nicht zuletzt die Tatsache, dass wir mehrere Bühnen zeitgleich bespielen. Es gibt auch Produktionen, die an manchen Tagen hervorragend laufen und an anderen nicht. Wir wissen nicht immer, woran das liegt. OZ: Der Dezemberspielplan ist prall gefüllt. Riskieren sie da nicht von vornherein, dass Vorstellungen weniger gut besucht werden? Löschner: Der Dezember ist der Theatermonat. Das zeigt sich jedes Jahr. 2013 kamen 12 000 Besucher in den ersten beiden Dezemberwochen. 2014 konnten wir die Zahl noch einmal um etwa 1000 toppen. Unser Anspruch ist es, das gesamte Jahr über einen vielfältigen Spielplan anzubieten, in dem sich die opulente Operette, große Komödie und Klassiker im Schauspiel ebenso wiederfinden, wie Angebote, die nicht aufs ganz große Publikum abzielen. Dazu kommen Extras, wie zum Beispiel die „Soljanka“. OZ: Wie läuft die? Löschner: Als wir begonnen haben, schlug sie ein wie eine Bombe. Jetzt merken wir, dass das Interesse nachlässt. Dafür haben wir jetzt auch die „Hausmusik“ mit Thomas Putensen als neues Format aufgenommen. Und das läuft sehr gut. So löst ein Format das andere ab. OZ: Apropos Putensen. Mit ihm planen Sie 2015 die Aufführung seiner Oper „Klaus“. Ihre Vorgänger hatten das Projekt, in dem es um den gewaltsamen Tod eines Obdachlosen vor 15 Jahren in Greifswald geht, abgelehnt. Warum haben sie zugesagt? Löschner: Es wird keine Opernaufführung, sondern ein Stadtprojekt für und mit Greifswaldern. Es wird in der Mensa am Wall aufgeführt, also nah am Ort des Geschehens. OZ: Worauf dürfen sich Theaterbesucher 2015 noch freuen? Löschner: Ich möchte speziell auf zwei Projekte aufmerksam machen. Zum einen auf „Bartleby“, ein spannendes Projekt für zwei Puppenspieler, einen Baletttänzer und einen Opernsänger. Hier geht es um einen Menschen, der sich zunehmend allem verweigert und damit zur Symbolfigur der Occupy-Bewegung wurde. Ein zweites Stück ist ein „Creative Crowdsourcing“-Projekt, bei dem wir die neuen Medien nutzen. Es ist eine Art Experiment, ob die kombinierte Erfahrung und Intelligenz einer Gruppe zu besseren Ergebnissen führt als die Leistung eines einzelnen Autors beim Verfassen eines Theaterstückes. Je mehr sich daran beteiligen, umso interessanter. Zu erreichen ist das Projekt „Ein Stück von Dir“ über unsere Homepage. OZ: Bei Theaterfreunden stößt die Umbenennung der „Ostseefestspiele“ in „AHOI - Mein Hafenfestival“ auf Unverständnis. Warum haben Sie sich dazu entschlossen? Löschner: Weil uns Touristiker und Marketingspezialisten das geraten haben. Ostsee ist überall und deshalb schwer verortbar, sagen sie. Festspiele gibt es ebenso buchstäblich „an jeder Ecke“. Außerdem verstanden viele Gäste „Ostseefestspiele“ als Sammelbegriff auch für „Störtebeker“ und „Vineta“. OZ: Und was ist nun bei „AHOI - mein Hafenfestival“ anders? Löschner: Ahoi ist ein maritimer Gruß. Und Hafen bezieht sich klar auf die Standorte, die wir in Greifswald, Stralsund und Ribnitz-Damgarten bespielen. OZ: Sind denn die Aufführungsorte schon klar? Auch in Stralsund? Löschner: In Stralsund sind wir noch am Verhandeln. Wir haben uns den Platz vorm Hansa-Gymnasium gesichert. Vielleicht gelingt es, noch dichter an den Hafen zu kommen. In Greifswald spielen wir wieder am Museumshafen, in Ribnitz-Damgarten ebenfalls am Hafen. OZ: Und warum haben Sie für den Start ausgerechnet das Singspiel „Im weißen Rössl“ ausgesucht, das in Österreich spielt? Löschner: Weil es ein hervorragendes Stück und für unsere Schauspieler gutes „Spielfutter“ ist. Es ist ein Klassiker — einfach perfekt. Und es gibt durchaus Parallelen zu unserer Region. Schließlich findet sich im Weißen Rössl eine Dampferanlegestelle, und auch die Ostsee spielt eine Rolle. Manches darf man auch augenzwinkernd sehen. OZ: Sie haben Sellin und Heringsdorf als Standorte aufgegeben. Warum? Löschner: Wir hatten angenommen, dass in den touristischen Zentren mehr Besucher zu gewinnen sind, aber nun die Erfahrung gemacht, dass die Verweildauer der Touristen heute wesentlich kürzer ist als vor einigen Jahren. Die Zeit reicht also kaum aus für die Wahrnehmung und Entscheidung, eine Aufführung zu besuchen. OZ: Erstmals musste 2014 der Theaterball in Greifswald wegen Mangel an Interesse abgesagt werden. Gibt es 2015 eine Neuauflage? Löschner: Wir wollen 2015 neue Wege gehen. Als erstes gehen wir raus aus der Ballsaison und veranstalten einen Sommernachtsball im Theater Ende Mai/Anfang Juni. Er findet sowohl in Stralsund als auch in Greifswald statt. Es wird eine attraktive Bühnenshow geben, das Orchester spielt zum Tanz. Viele Räume backstage bis hin zum Magazin und zur Probebühne werden wir öffnen. Außerdem werden wir kein Büfett anbieten, sondern verschiedene gastronomische Angebote: Speisen à la carte, einen Barbecue-Stand und mehrere Bars. Die Tickets können so deutlich günstiger angeboten werden. OZ: Hoffen wir, dass dies ein Erfolg wird, denn erst vor wenigen Tagen gab es eine erneute Absage eines Balles in Greifswald zum 100-jährigen Stadthallen-Jubiläum. Löschner: Wir haben derzeit extrem viele Erkrankte und deshalb Probleme, alle Vorstellungen zu halten. Deshalb haben wir uns notgedrungen zur Absage entschlossen. OZ: Es gibt Gerüchte über weitere Veränderungen im Ensemble, da Verträge von Künstlern von Ihnen nicht verlängert wurden? Löschner: Haben Sie bitte Verständnis, dass ich mich über Personalangelegenheiten nicht öffentlich äußere. Veränderungen im Ensemble sind an Theatern aber normal. OZ: Was wünschen sie sich für 2015 am meisten? Löschner: Endlich klare Entscheidungen der Politik, damit diese ewige Strukturdiskussion ein Ende findet. Bei aller notwendigen Trauerarbeit benötigen wir wieder einen Aufbruch, ein klares Ziel. Interview: Reinhard Amler Zur Person Dirk Löschner (wird morgen 48) war, bevor er 2012 nach Vorpommern kam, seit 2009 Intendant in Stendal. Im Juli hatte der Aufsichtsrat den Gesellschaftern empfohlen, Löschners Vertrag über den 31. Juli 2015 nicht zu verlängern. Das geschah nicht, woraufhin Aufsichtsratschef Rainer Steffens (CDU) sein Amt niederlegte. Der Greifswalder Anwalt hatte mit seinem Stralsunder Kollegen, Hans-Walter Westphal (SPD), das Theater nach dem Rauswurf des inzwischen verstorbenen Anton Nekovar interimsmäßig ab 2010 geleitet. OZ

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