Juniorprofessorin dank der Simpsons

Wer Juniorprofessorin Maren Lickhardt in ihrem Büro besucht, ist erstmal erstaunt: Alle Regale im Raum sind leer. Bei einer Literaturfachfrau hätte man da etwas anderes erwartet, aber sie ist ja auch erst vor einigen Wochen eingezogen. Seit April ist die 37-Jährige an der Greifswalder Universität. Doch sie sagt: „Die Regale bleiben leer. Ich mag dieses graue Industrie-Design. Das Büro ist für mich kein Platz zum Lesen. Das mache ich zu Hause.“ Dass sie dort die Ruhe dafür findet, überrascht erneut ein wenig, denn sie fügt an: „Bei mir läuft immer der Fernseher. Selbst meine Doktorarbeit habe ich geschrieben, während der Apparat lief.“ Promoviert hat sie in Neuerer deutscher Literaturwissenschaft an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz. Ursprünglich kommt sie aus dem Hunsrück. Einer der Schwerpunkte ihrer Arbeit sind die Romane der Weimarer Republik. Ein weiteres Themengebiet sind Schelmenromane aus dem 17. Jahrhundert. Was genau findet sie an ihnen reizvoll? „Die subversive Haltung des Erzählers. Er taktiert und spielt mit dem Leser. Man weiß nicht, ob man ihm glauben kann.“ Ein weiterer Aspekt: „Die Figuren entwickeln sich wenig oder gar nicht. Charaktere und Identitäten werden entworfen, aber immer wieder auf null gesetzt.“ Letzteres fände sich auch in einigen popkulturellen Produkten. Zum Beispiel in der erfolgreichsten Comic-Serie der Welt: den „Simpsons“. Seit mehr als zwei Jahrzehnten persiflieren die gelben Figuren das Alltagsleben in den USA. Und in ebendieser Zeit haben sich die Charaktere nicht entwickelt. Alle bleiben gleich alt, haben dieselbe Frisur, dieselbe Beschäftigung oder gehen in dieselbe Klasse. Über diesen außergewöhnlichen Zusammenhang hielt Maren Lickhardt in Greifswald ihren Probevortrag. Die Professoren waren angetan. „Ich kann jetzt sagen, ich habe meine Professur mit den Simpsons bekommen“, sagt sie und lacht, vielleicht sogar etwas schelmisch. Sechs Jahre wird sie hier lehren und forschen. Im Programm des Sommersemesters stehen Vorlesungen zu Theorien und Methoden der Literaturwissenschaft sowie ein Seminar zur Episodität und Serialität von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart. Zudem ist sie neben anderen für einen Zwischenprüfungskurs zur Neuen Deutschen Literatur verantwortlich. Ihre nächste Publikation behandelt ein anderes Thema. Und dies ist — wie sollte es anders sein — mal wieder etwas verblüffend: „Es wird um die Science Fiction Serie ,Star Trek‘ gehen.“ Kai Lachmann OZ

Greifswald - Juniorprofessorin dank der Simpsons