Meditationen in Wort und Glas

Wer schon einmal mit aufmerksamen Augen den Chorumgang der Marienkirche durchschritten hat, dem ist das große Auferstehungsfenster aufgefallen. Zu beiden Seiten dieses prachtvoll gestalteten Fensters befinden sich seit 2004 zwei nicht weniger imposante kunstvoll bemalte Glasfenster, die unter den Händen der Künstlerin Erika Steinbeck aus Essen entstanden sind. Ein Hochfenster ist Professor Herbert Ewe, ehemaliger Direktor des Stralsunder Stadtarchivs von 1952 bis 1986, gewidmet. Das andere symmetrisch angeordnete Fenster ist Malte Schröder, dem Gründer des Autohauses Dürkop, als Erinnerung zugedacht worden. Die 1937 geborene Malerin hat eigentlich Mathematik und Physik studiert und als Lehrerin gearbeitet, bevor sie sich deutschlandweit der professionellen Gestaltung von Kirchenfenstern zuwandte. In der vergangenen Woche stattete Erika Steinbeck der Marienkirche nach langer Abstinenz einen Besuch ab, um eine Ausstellung aufzubauen, die am Freitagabend in ihrem Beisein eröffnet wurde. „Man lernt beim Malen sehr viel über sich selbst und erfährt, dass man etwas wagen kann, was eigentlich nicht geh“, sagte die 77-jährige Essenerin zur Ausstellungseröffnung in der Turmhalle von St. Marien. Abstrakte, nonfigurative Motive sind nicht das Metier der Autodidaktin — auf ihren Arbeiten ist klar erkennbar, worum es der tiefgläubigen Christin geht. Dennoch sagt Erika Steinbeck: „Meine Bilder geben keine klaren Antworten, die Betrachter können in ihnen ganz individuelle Interpretationsmöglichkeiten sehen.“ Ohne missionarischen Eifer macht Erika Steinbeck mit ihrer Kunst Angebote, die lediglich eine Offenheit beim Betrachten verlangen. Als Meditationen in Wort und Glas werden ihre Kirchenfenster bezeichnet — die in der Turmhalle ausgestellten Arbeiten sind gleichfalls Meditationen. Die Malereien versieht Erika Steinbeck mit eigenen Versen und Psalmen auf Papier. Glaube, Liebe, Hoffnung — diese drei bedeutungsschweren Worte sind die tragenden Säulen ihrer Kunst, die Mut erzeugen kann — bei denjenigen, die sich darauf einlassen können. Christian Rödel

Stralsund - Meditationen in Wort und Glas