Miltzower erstürmt Ralswieker Bühne

Morgen ist Premiere. Die Karten sind restlos ausverkauft — 8700 an der Zahl. Genau so viele Besucher werden auf der Naturbühne in Ralswiek beim größten Open-Air-Spektakel Deutschlands erwartet. Sie alle wollen den Machtkampf zwischen Störtebeker und dem Machthaber der schwedischen Insel Gotland in dem diesjährigen Stück „Aller Welt Feind“ hautnah miterleben. Im gestreckten Galopp — so schreibt es die Regie vor — wird dann der Miltzower Marcel Dethloff gleich in der ersten Szene die Bühne erstürmen. Dass er dabei auch die Herzen der Zuschauer erobert, bezweifelt er lachend: „Ich bin nur Pirat und beschütze einen von Störtebekers Leuten. Und so schnell, wie ich auf die Bühne komme, bin ich auch wieder verschwunden.“ Summasumarum dauere dieser Auftritt auf dem Schecken Jackson, im schwarzen Umhang und mit langer Nasenmaske nur etwa zwei Minuten. Und die nächste Szene, in der er als Ordensritter mit Standartenfahne auf dem Rücken der Warmblutstute Britney erscheint, würde mehr als eine halbe Stunde auf sich warten lassen... Insgesamt sind es vier Bilder, in denen der Miltzower mitwirkt. Aus Spaß an der Freude und des Geldverdienens wegen, nicht weil es ihm um Ruhm geht, betont der 34-Jährige. „Obwohl es schon ein tolles Gefühl ist, vor knapp 9000 Menschen zu reiten“, schiebt er im gleichen Atemzug nach. So viel Publikum kennt der Berufsreiter von den Turnieren, wo er ansonsten anzutreffen ist, nicht. Und nicht zuletzt deshalb seien die Störtebekerfestspiele auch eine besondere Erfahrung für ihn. Bereits im vergangenen Jahr gehörte Marcel Dethloff zu den über 120 Schauspielern, Komparsen und Reiterstatisten, die seit 23 Jahren in den Sommermonaten aktiv auf der Bühne in Ralswiek stehen. Das Einstellungsreiten habe damals keine zehn Minuten gedauert, erinnert er sich. Schnell hatte der gelernte Pferdewirt den Stallmeister von seinen Fähigkeiten überzeugt. Auch bei der Pflege der 30 Pferde, die ebenfalls zu seinem Aufgaben vor Ort zählt, hat er sich längst bewährt. „In diesem Jahr haben sie mir dann gleich einen Arbeitsvertrag geschickt“, erzählt er weiter. Gleich nach Pfingsten haben die Proben fürs diesjährige Stück begonnen. Täglich, inklusive Sonnabend und Sonntag von 17 Uhr bis open End. Insgesamt gehören zehn Reiter zu den Statisten, darunter auch eine Frau aus Ungarn. „Obwohl wir eine große Gemeinschaft sind, trainiert oder übt jeder für sich. Erst am Ende fügt sich alles zum Ganzen. Dadurch kann ich nicht mal im Detail sagen, was in diesem Jahr alles passiert. Vielleicht nur soviel: Störtebeker und seine Kumpane wetzen wieder ordentlich ihre Schwerter und auch die Liebe kommt nicht zu kurz“, verrät Marcel Dethloff vorab. Die kommenden Monate werden für den Miltzower sehr zeitintensiv. „Wir haben bis 5. September über 60 Auftritte. Nur der Sonntag ist spielfrei“, sagt der Vater eines acht Monate alten Sohnes. Schon gegen 16 Uhr müsse er die Reitanlage in Miltzow, die seinem Schwiegervater gehört und wo er als Pferdeausbilder tätig ist, Richtung Rügen verlassen. „Eine Tour sind 50 Kilometer. Man ist immer von Urlaubern umgeben“, macht er keinen Hehl aus seinem anstrengenden Arbeitstag, der in der Regel erst gegen Mitternacht endet. Entspannung findet der passionierte Reiter auf dem Pferderücken. „Wenn ich reite, fällt die Anspannung ab. Ich fühle mich frei. Und auch der Applaus am Ende einer Vorstellung ist purer Balsam.“ Aller Welt Feind läuft bis 5. September „Aller Welt Feind“ heißt das Theaterstück der diesjährigen Störtebeker Festspiele. Aufführungen sind vom 20. Juni bis 5. September 2015 geplant, montags bis samstags jeweils um 20 Uhr. In diesem Jahr begehen die Störtebeker Festspiele ihre 23. Spielsaison. Karten kosten für Erwachsene zwischen 12 Euro (Rang II) bis 34 Euro (Platzgruppe I). Ermäßigungen gibt es für Kinder, Gruppen, Familien und Rollstuhlfahrer. Die Tickets können bestellt werden unter ☎ 038 38/ 311 00. Susanne Senneke

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