Mit Feuer im Herzen und Lust im Gehirn

Sie wollen schreien und toben vor Wut, laut sein oder elegant. Sie haben bewiesen, dass sie genug Feuer in Herz und Gehirn mitbringen: Am Sonnabend hat die Theaterakademie Vorpommern die neuen Studenten begrüßt. Zum Anfang gabs ein Brett. „Man kann es sich vor den Kopf nageln“, sagte Theaterintendant Wolfgang Bordel. Gelächter. „Aber in erster Linie sollen sie Halt geben.“ Der Clou: Wenn alle ihre hölzernen Geschenke zusammenlegen, entsteht eine kleine Bühne. Einer der Neuen wollte unbedingt in den Norden. Und nur hierher: Denn Max Gnant (23) aus der Schweiz kann kein Deutsch. Sagt er selbst. Er versteht es natürlich, aber „ich spreche eigentlich eine Fremdsprache“, sagt er. „Hier wird gutes Deutsch gesprochen, deswegen habe ich mich auch nur im Norden beworben.“ Aus seiner Sicht seien die Leute hier sprachlich „krass schlagfertig, was ich nicht habe.“ Also müsse er in gewisser Hinsicht Überstunden machen. Trotzdem hat er großes Talent. Das haben die Gutachter schon beim ersten Vorsprechen erkannt: „Ich musste ungewöhnlich lange bleiben und alle eingeübten Stücke vortragen. Normalerweise werden nur einige ausgewählt“, wunderte er sich. „Sie haben mich auf Herz und Nieren geprüft“, weiß er heute. Weil er aus der Schweiz kommt, haben sie ihm gleich den Studienvertrag angeboten. Damit er es sich nicht anders überlegt. Und so bekam er nach nur zwei Bewerbungen den begehrten Platz an der höheren Berufsfachschule Zinnowitz. Meistens müssen die Bewerber viel länger bangen. „Ich kann es kaum glauben, dass ich jetzt einen Platz habe, auf den ich so lange hingearbeitet habe“, sagt Charlene Breitag (25) aus Berlin. Sie hat bisher viel Kinder- und Improvisationstheater gespielt. „Man muss einfach Glück haben“, sagt sie, denn es werden am Ende nicht nur Einzelpersonen, sondern auch ein Ensemble gesucht. „Wir sind jetzt eine Gruppe mit sehr verschiedenen Charakteren. Aber das ist für die Dynamik wichtig. Ohne Reibung wird es viel schnell langweilig.“ Eine Woche Studium liegt bereits hinter den jungen Künstlern. Dazu gehörte auch, sich erst mal untereinander vorzustellen. Per Monolog. „Ich habe eine schizophrene Dame gespielt, die gebrüllt hat vor lachen“, erzählt Charlene. Sie liebt es, skurrile Personen zu verkörpern. Neuling Jonas Volkmann spielte den Beckmann aus „Draußen vor der Tür“. Der Mann ist für Tote im Krieg verantwortlich und ein psychisches Frack. „Es ist ein sehr emotionales Stück“, sagt der 22-Jährige, der sich tatsächlich für Kriegsgeschichte interessiert. Die kommenden Monate werden für alle sehr arbeitsintensiv. „Vor dem Olymp kommt der Schweiß“, sagte Professor Helmut Heinz, der für die theoretische Ausbildung zuständig ist. Zu dem Studium gehöre viel Mut, Liebe und Tapferkeit. Oder mit Worten Wolfgang Bordels: „Es gibt eine besondere Form von Verrücktheit. Sie besteht darin, Schauspieler zu werden.“ Gleichzeitig wurden am Sonnabend auch acht Absolventen verabschiedet, die nun für ein Jahr an der Vorpommerschen Landesbühne in Anklam spielen. Mit ihnen ist es dem dritten Jahrgang in Folge gelungen, komplett bei dem strengen Vorsprechen der ZAV zu überzeugen — eine bundesweite Vermittlungsagentur für Künstler. Große Erfolgsrate 90 Absolventen hat die Akademie in Zinnowitz in den vergangenen 13 Jahren hervorgebracht. Viele haben es auf bekannte Bühnen geschafft. 80 Prozent der Absolventen konnten an Staats- und Landestheater vermittelt werden. Zum Beispiel nach Darmstadt, Dresden, Potsdam, Regensburg oder Berlin und auch nach Schwerin oder Greifswald. Einige Schauspieler sind zudem bei Film und Fernsehen beschäftigt. Irene Burow

Zinnowitz - Mit Feuer im Herzen und Lust im Gehirn