Nach 25 Jahren Stillstand: Ein Besuch im Kulturhaus

Die Zinnowitzerin Silvia Klöpfer steht im großen Saal des Kulturhauses. Dort, wo zu DDR-Zeiten fast täglich große Shows gezeigt wurden, sich Musiker und Bands aus dem In- und Ausland die Klinke in die Hand gaben und frenetisch nach jeder Vorstellung applaudiert wurde, herrscht heute gähnende Leere. Im Herbst 1988 gingen in der ehemaligen Usedomer Kulturhochburg die Lichter aus. In zwei Jahren, 29 Jahre nachdem der letzte Vorhang fiel, soll an gleicher Stelle eine Wellnesslandschaft entstehen — mit Saunen, Schwimmbad und allem was dazu gehört. Rings herum werden 77 Eigentumswohnungen gebaut. Quadratmeterpreis: zwischen 2300 und 4000 Euro. Die Investoren warten auf die Baugenehmigung. Vor 47 Jahren war Silvia Klöpfer selbst im Kulturhaus tätig — als Koch-Lehrling. „Der Weg von der Kühlkammer bis zur Küche war immer sehr lang. Wenn man etwas vergessen hat, durfte man weite Wege laufen“, erzählt die 63-Jährige. Sie kennt noch die Situation, als mehr als 300 hungrige Leute im Speisesaal auf ihre Mahlzeit warteten. „Manchmal musste in mehreren Durchgängen gefrühstückt werden.“ Auch an die Tanzabende erinnert sie sich gern zurück. Privat hat sie mehr als 50 Ansichtskarten gesammelt, die das Haus zeigen. In einem Flügel im Erdgeschoss am Dannweg befand sich die Küche. „Das stimmt mich schon ein wenig traurig, wenn man sich den Zustand heute ansieht“, sagt Frau Klöpfer. Überall liegen kleinere Betonbrocken, herausgerissene Fliesen und lose Leitungen, Kabel hängen aus der Wand. An elektrisches Licht ist gar nicht zu denken. Mit der Taschenlampe in der Hand, sucht sich die Rentnerin den Weg durch die Räume der Ruine. „Hier waren die Duschen, dort haben wir gekocht und hier saß ein Kollege, der acht Stunden lang am Tag Teller gespült hat“, sagt sie. Wenn Silvia Klöpfer erzählt, könnte man meinen, dass sie alles erst gestern erlebt hat. „In den Wintermonaten war die Anlage geschlossen. Dann wurden Strandkörbe im Küchentrakt aufbewahrt. Erst später öffnete das Kulturhaus auch im Winter — für Wellnessgäste des Ortes.“ Heute „zieren“ in jedem Raum Schmiererein, Liebesbotschaften und Graffiti die Wände. An vielen Fenstern ranken sich Kletterpflanzen, die sich den Weg ins Gebäude gebahnt haben. Kaum eine Scheibe ist noch heil und von den Wänden bröckelt der Putz. „Hier ist nichts mehr, was man noch gebrauchen könnte — es wurde alles Anfang der 1990er Jahre entrümpelt“, sagt Silvia Klöpfer, die sich mit der Geschichte des Hauses gut auskennt. „Nachdem 1988 die Türen geschlossen wurden, sanierte man das Gebäude. Die Deckenverkleidung wurde erneuert“, sagt sie. Zu sehen ist davon fast nichts mehr. Der Vandalismus tat sein Übriges. „Dann kam die Wende und die Sanierung wurde eingestellt“, schildert sie weiter. Seitdem steht das Gebäude, mit denen viele Usedomer stimmungsvolle Erinnerungen verknüpfen — zum Leidwesen des Ortes — leer. Der Bansiner Makler Andras Budeck (51) soll nun dafür sorgen, dass das Haus wieder mit Leben erfüllt wird. „Die ersten Interessenten haben bereits angefragt. Sie kommen aus dem ganzen Bundesgebiet“, sagt er. Ein Dresdener Architekt fertigte Zeichnungen, wie das Haus in zwei Jahren aussehen soll. Auf dem Dach entstehen Terrassen und zwei weitere Gebäudeteile sind im hinteren Bereich geplant. „Wir hatten die Idee, einen Teil der Baustelle der Öffentlichkeit zu zeigen. Ob das möglich ist, wird noch zu klären sein. Viele Zinnowitzer würden mit Sicherheit einen Blick in das Innere werfen wollen“, ist sich Budeck sicher. Silvia Klöpfer findet es gut, dass aus dem ruinösen Zinnowitzer Wahrzeichen ein Domizil für neue Einwohner werden soll. „Ich werde das Geschehen täglich von meiner Terrasse aus beobachten. Deshalb hatte ich auch keinen langen Arbeitsweg, als ich noch dort tätig war“, sagt sie und lächelt. Hannes Ewert

Zinnowitz - Nach 25 Jahren Stillstand: Ein Besuch im Kulturhaus