Reduktion und Wirklichkeit

Die Fotografien von André van Uehm (55) besitzen eine ganz eigene, fast imaginäre Kraft. Sie reduzieren die Landschaft zwar nicht auf ihre geometrische Struktur, wie das in zeitgenössischen Positionen der Naturmalerei zuweilen überhandnimmt. Aber sie arbeiten mit der Reduktion der Landschaft und ihrer einzelnen Elemente. Wobei, und das ist das Faszinierende an diesen großformatigen Fotografien, die auf den ersten Blick leer wirken – sie wimmeln vor Detailreichtum. Denn der Fotograf aus Woserin in der Sternberger Seenlandschaft arbeitet in seiner Kunst mit einer speziellen Digitaltechnik, dem sogenannten Stitching (Englisch für Nähen), bei dem eine Fotografie aus jeder Menge übereinandergelegter Einzelbilder zusammengesetzt wird. So entsteht im Zusammenspiel mit der Belichtung zwar ein lichter Raum, in den aber fügen sich Elemente wie Äste, Zweige, Rinde, Blätter eines Baumes, Steine am Strand oder Zaunpfähle auf einer Wiese mit einer ungemeinen Schärfe und Tiefe. Arbeiten dieses außergewöhnlichen Landschafts-Fotokünstlers zeigt die Galerie Hinter dem Rathaus in Warnemünde ab heute. Zur Vernissage ab 19.30 Uhr spricht die Künstlerin, Kuratorin und Kunstpreisträgerin Miro Zahra – wie André van Uehm auch schon Teilnehmer der OZ-Kunstbörse – ein paar einführende Worte zum Werk des Künstlers. Die Schau läuft bis 30. Juni und zeigt einen Querschnitt durch das Landschaftswerk van Uehms. Da findet sich der verschneite Tannenwald, der ins seiner Stille und dem ruhigen Schwarz-Weiß-Kontrast eine durchaus beunruhigende Mischung aus Winteridylle und märchenhafter Bedrohung bietet – was lauert da hinter den Tannen, was erwartet den Betrachter, wenn er den Schritt in den Wald hinein wagt. Oder die Ivenacker Eichen (2014), die im Winter fotografiert ohne ihre würdigen Laubkronen ein wenig wie krüppelige Mahnmale anmuten – was will dieser Baum dem Betrachter sagen? Bilder dieses Fotografen heißen „Gollwitz“ (2013) und zeigen einen ganz eigenen Steinstrand, der wie ein fremder Planet wirkt. „Drei Pflaumen“ (2010) mit einsamen, schiefen Obstbäumen am Straßenrand oder „Weide“ (2015), die sich nicht so ganz sicher zu sein scheint, ob sie ein Baum oder ein versteinerter Riese ist, der jeden Moment zum Leben erweckt werden kann. Bilder, die Geschichten erzählen. Die Galerie 8 ist dienstags bis freitags von 12 bis 18 Uhr und am Sonnabend von 11bis 16 Uhr geöffnet. Michael Meyer

Wismar - Reduktion und Wirklichkeit