Rückschau mit geblähten Segeln

Das Segel bläht sich mächtig, und der Mann auf dem Kahn muss aufpassen, dass er nicht die Balance verliert. Seine zwei Begleiter vorn und hinten auf dem Boot betrachten ungerührt die Landschaft, die vorbeizieht. Dieses Boot des Bildhauers Jo Jastram passt gut an dem Platz, an dem es derzeit zu sehen ist. Es steht neben der Kunstscheune Barnstorf, und tatsächlich weht der Wind mächtig über die weiten Felder vorm Haus und fasst in das Bronzene Segel, das allerdings ein par Löcher hat, so dass die Brise hindurch pfeift. Die Sommerausstellung ist bis 20. Oktober zu sehen. Gezeigt werden Arbeiten von: Dietrich Becker, (Malerei), Wolfgang Friedrich (Skulptur), Barbara Müller-Kageler (Malerei), Wolfgang Reinke (Malerei, Grafik), Vera Schwelgin (Malerei, Grafik). Seit 33 Jahren schon stehen Kunstwerke auf dem Platz neben der Scheune in Barnstorf, einem Ortsteil des Ostseebades Wustrow auf dem Fischland, und natürlich in dem massigen Gebäude, das das Ehepaar Eymael Ende der 80er Jahre als Galerie eröffnete. Galeristin Gabi Eymael will mit der aktuellen Ausstellung „33“ kein Fazit ziehen, aber eine Rückschau ist die Ausstellung schon. Außerdem sei die 33 eine schöne Schnapszahl, bemerkt Tochter Riekje. So versammeln die Eymaels in diesem Sommer Künstler, die die Galerie schon sehr lange begleiten. Während draußen Figuren von Jo Jastram, ein bronzener Brunnenentwurf von Wolfgang Friedrich und Bronzen von Rainer Kessel sowie Steine von Peter Makolies und Luise Dewerny zu sehen sind, dominieren drinnen die Maler. Verbindendes Element der drei „Kojen“ zu nennenden Ausstellungsabteile sind wiederum die kleinformatigen, antikisierenden Figuren des Rostockers Friedrich. Sie flankieren figürliche Malerei durchaus verschiedener Ausprägung. Barbara Müller-Kageler zeigt Bilder mit Booten, Bootschuppen und Menschen am Strand. Formen und Oberflächen sind kompakt, die Farben satt, aber zurückhaltend mit Schattierungen von Grau. Die Malerin entwirft akkurate Formen, die sehr konzentriert wirken in ihrer Präzision. Geradezu aufbrechend scheinen dagegen die Oberflächen von Vera Schwelgien. Ihre Drucke auf Papier sind durchscheinende, geradezu flirrende Darstellungen von Körpern und Gesichtern, ineinander, übereinander, ein Farbenspiel von Charakteren und Gesten. Prominent ein großer Clown, der offenbar ein wenig ratlos vor einem schmalen Flüsschen hockt: Das Wasser fließt, und der Spaßmacher weiß nicht weiter. Geradezu altmeisterlich wirken dagegen die Gemälde von Dietrich Becker. Bei genauer Betrachtung handelt es sich um freie, einer starken gestalterischen Hand folgende Darstellungen, die in ihrer Farbigkeit der klassischen Moderne verpflichtet sind. Charakteristische Landschaften mit Feld, Kirchturm und Heumieten werden da entworfen, aber das Gesicht des Bauern vorn mit der Harke ist nicht ausformuliert. Auf engstem Raum entfaltet Becker dichte Kompositionen aus intensiven Farben und klar umrissenen Formen, die allenfalls in Darstellungen etwa eines gelbroten Schilfgürtels nahezu abstrakte Flächen zeigen. Die sich auflösenden Fläche sind wiederum das Metier von Wolfgang Reinke. Das verwundert nicht, denn der Maler und Zeichner interessiert sich für das Meer, für Wogen und Brandung und damit die beständige Veränderung. Ob in Kohle oder Öl – Reinke ist ein Meister der gebannten Energie, er hält Spannungen und Stimmungen fest wie in zwei beeindruckenden Werken, die Szenerien vor und nach einem Gewitter zeigen. Die Schau ist der Auftakt einer ganzen Reihe von Ausstellungen, die in diesem Sommer in der Kunstscheune Barnstorf zu sehen sein werden. Drei weitere Ausstellungen werden die Werke von langjährigen Begleitern in den Mittelpunkt stellen. Nicht als Resümee einer langen Beschäftigung, eher ein Moment des Innehaltens und der Besinnung. Kunstscheune Barnstorf: Barnstorf 1, Hufe IV, 18347 Ostseebad Wustrow, geöffnet täglich von 10-13 und 15-18 Uhr. Matthias Schümann

Barnstorf - Rückschau mit geblähten Segeln