Rund um die Welt in nur drei Tagen

38 Kilometer südlich von Greifswald, auf der Burg Klempenow, geht am Wochenende das bedeutendste Filmfest der Region über die Bühne. Mehr als 20 internationale Dokumentar- und Kurzfilme haben die Macher — Kulturmanagerin Undine Spillner (33) und der Filmschaffende Christian Herfurth (33) — dafür organisiert. Darunter den 2015 mit einem Oscar prämierten Streifen „Citizen Four“ (USA/Deutschland) über den US-amerikanischen Whistleblower Edward Snowden und die durch ihn aufgedeckte globale Überwachungs- und Spionageaffäre. „Das ist der dreifache Tatort. Das sollte jeder gesehen haben“, sagt Spillner. Sie selbst sei fast vom Hocker gefallen, als sie im Verlauf des Films erkannte, was überwachungstechnisch möglich ist. Der Ursprung des Films liegt mehr als zwei Jahre zurück: Im Januar 2013 hatte die US-amerikanische Dokumentarfilmregisseurin Laura Poitras verschlüsselte E-Mails von einem Unbekannten erhalten, der sich „Citizen Four“ nannte und Beweise für verdeckte Massenüberwachungsprogramme des US-Geheimdienstes NSA in Aussicht stellte. Begleitet von zwei Journalisten flog Poitras daraufhin nach Hongkong, wo sie auf Edward Snowden traf. Ihre Kamera hatte Poitras in diesen Stunden und Tagen immer dabei. Persönliche Geschichten und globale Zusammenhänge stehen im Mittelpunkt des Klempenower Filmfestes. Das ist längst eine große Nummer im ländlichen Kulturbetrieb des Nordostens. In Vorpommern und Ostmecklenburg sucht es seinesgleichen. Drei Tage Filme, die nicht Mainstream sind, die keine großen Kinosäle füllen, aber starke Eindrücke hinterlassen — das macht das Fest spannend und ist zugleich seine Stärke. Gerne hätten Spillner und Co. die bekannte und gleichermaßen vielgefragte Filmproduzentin Doris Dörrie („Männer“ 1985, „Kirschblüten — Hanamie“, 2008) in Klempenow begrüßt. Doch die sagte, nicht ganz unerwartet, freundlich ab. Dörrie wird es dennoch geben: Am Sonnabend ist ihr Dokumentarfilm „Dieses schöne Scheissleben“ (2014) auf der Burg zu sehen. Der ist einer weiblichen Musikband in Mexiko gewidmet, deren Mitglieder versuchen, in dem von Kriminalität und Drogenkrieg gebeutelten Land ihr Glück zu finden. Gleich zu Beginn wartet das Filmfest am Freitagabend mit einem großen Namen auf: 2010 drehte Regisseur Werner Herzog „Die Höhle der vergessenen Träume“ (USA/Frankreich). Nahe der französischen Kleinstadt Vallon-Pont-d‘Arc im Department Ardèche entdeckten Wissenschaftler 1994 etwa 500 Wandbilder mit gravierten Tier- und Symboldarstellungen. Das Alter dieser Malereien wurde auf 33000 bis 30000 vor Christus datiert. Die Höhle ist für Publikum gesperrt, da die Luftfeuchtigkeit des Atems die Kunstwerke zerstören könnte. Dank Werner Herzogs Film erhält nun dennoch jedermann Einblick. Viele der in Klempenow vorgestellten Filme sind englischsprachig oder mit englischen Untertiteln versehen. Um sie dem „extrem buntgemischten Publikum“ (Spillner) verständlicher zu machen, hat Festorganisator Christian Herfurth sie in nächtelanger Arbeit deutsch untertitelt. Mit „Ein idealer Ort“ (D 2015) von Anatol Schuster wird nicht zuletzt das Landleben in Vorpommern reflektiert: Dörfer sterben aus, Menschen gehen fort, Häuser bleiben leer. Auch Franks Familie fühlt sich irgendwo abgestellt zwischen Gestern und Morgen. Die riesige Schweinezuchtfabrik, die in der Nähe des Dorfs gebaut wurde, hat Menschen sowohl von ihrer Vergangenheit als auch von ihrer Zukunft abgeschnitten. Für das Filmfest bauen Spillner und Co. einen früheren Stall zum Kinosaal um. „120 Leute passen da gut rein.“ Für Kinder wird es am Sonntag ein extra Programm geben. Wer nichts verpassen möchte, kann an der Burg zelten. Viel los auf der Burg Das Filmfest „der NEUE HEIMAT film“ auf Burg Klempenow beginnt schon am Freitagnachmittag und endet erst am Sonntagabend. An allen drei Tagen sind internationale Dokumentar- und Kurzfilme zu sehen, stellen sich Filmemacher den Fragen des Publikums, erklingt Livemusik, wird Essen serviert, kann man zur Abwechslung auch Kanu fahren und tanzen. Eine Ausstellung widmet sich der Kulturgeschichte der Dörfer in Mecklenburg-Vorpommern und rückt die Geschichten der heutigen Einwohner in den Mittelpunkt. Auf der Filmparty am Samstagabend spielen die „Careless Cats“ Swing. Das ganze Festprogramm steht auf www.derneueheimatfilm.de. Sven Jeske

Klempenow - Rund um die Welt in nur drei Tagen