Sozial-philosophische Achterbahnfahrt

„Vorsicht! Tollkühnes Theater!“, sollte warnend über der Bühne stehen. Denn provokant und aufregend, kreativ und innovativ kommt das Zwei-Personen-Stück mit den Stralsunder Akteuren Frithjof Gawenda (18) und Karl-Gustav Steinig (20) daher. Wenn ein Theaterstück unter dem Titel steht: „Wenn irgendwas zwischen uns stehen sollte, dann wenigstens, dass wir uns nicht mögen und nicht so ein scheiß Konzept!“, dann ist Zeit für Avantgarde. Zeit für Experimente. Zeit für eine höchst engagierte Bühnenshow. Und so ist der Titel zugleich ein Zitat, das in dem verwirrenden Wortgemetzel um Emotionen, Beziehungen, Lebenswege und Umgangsformen nur für eine von vielen Deutungsvarianten gut ist. Es ist also alles andere als leicht verdauliche Theaterkost, was die beiden beeindruckenden Darsteller unter der Regie von Romy Dins (21) dem Publikum vorsetzen. Man hört und stutzt, man grübelt und sucht und wenn man im überbordenden Satz- und Sinnschwall zu vagen Erkenntnissen gelangt, sind diese schon längst wieder überholt. Der Zuhörer ist überwältigt und staunt erneut und fragt sich, was wollen die uns sagen? Und genau diese Frage ist so leicht nicht zu beantworten. Ein sprachloses „Oh, wow“, wäre durchaus eine angemessene Möglichkeit. Andere, wie Jasper Kleinschmidt etwa, selbst bühnenerfahren bei den STiC-ern, sagen sichtlich beeindruckt: „Das ist schwer zu beurteilen. Das muss man erst verarbeiten!“ Und recht hat er. Denn was bei der offenen Probe am Mittwochabend eindeutig offenbar wurde: Da ist überraschend ein großes, weil junges, freches, mutiges Theaterstück entstanden. Das aber — bei allen Fragezeichen in den Köpfen der Zuhörer — so richtig Spaß und ständig neugierig auf den weiteren Fortlauf macht. Und das trotz oder gerade wegen seiner gewaltigen wie auch oft flapsigen Bedeutungsschwere keineswegs ermüdet. Zu leicht und luftig sind bisweilen die gedanklichen Sprünge, Kapriolen und geistigen Höhenflüge. Und dazu kommt die großartige Schauspielkunst der beiden Akteure. Wer sich darauf einlässt, ist mittendrin und voll dabei und kommt nicht wieder los. Dieses Stück lebt von einer ganz eigenartigen Magie. Gute fünf Wochen hat das junge Dreiergespann an dem Stück gearbeitet und darin viele eigene Erfahrungen einfließen lassen. Es gehe um „befreites Zusammenleben ohne starre Regeln“, bringen sie ihre Bühnenbotschaft auf den Punkt. Für das Publikum jedenfalls ist die sozial-philosophische Achterbahnfahrt ein Riesenspaß. Unbedingt sehenswert!Premiere: Sonntag um 19:30 Uhr im Gustav-Adolf-Saal der Kulturkirche St. Jakobi in Stralsund Bernd Hinkeldey

Stralsund - Sozial-philosophische Achterbahnfahrt