Stralsunder bringen Volkswerft auf die Bühne

Drama, Trauerspiel, letzter Vorhang. Wenn es in den vergangenen Jahren um Pleite, Niedergang und Rettung der Volkswerft ging, machten immer wieder Begriffe aus der Theaterkunst die Runde. Jetzt kommt die Geschichte dieses Schiffbaubetriebes, der das Gesicht der Hansestadt Stralsund wie kein anderer geprägt hat, tatsächlich auf die Bühne. Regisseur Gerd Franz Triebenecker (52) inszeniert mit Stralsunder Laiendarstellern ein Theaterstück über die Werft. Premiere soll am 6. Juni im Gustav-Adolf-Saal der Kulturkirche St. Jakobi sein. „Es ist ein Thema, das die ganze Stadt bewegt und an dem Theater nicht vorbeigehen kann“, ist Triebenecker überzeugt. „Wie viele Stralsunder, hat es mich auch ganz persönlich berührt, was da auf der Werft passiert“, macht der Kulturmanager deutlich. Bereits vor Monaten, als die Zeitungen täglich voll mit Schlagzeilen über die Volkswerft waren und die Menschen montags für den Erhalt beteten, sei man auf die Idee für das Projekt gekommen. „Dann haben wir recherchiert, viel gelesen und Kontakt mit dem Betriebsratsvorsitzenden Jürgen Kräplin aufgenommen“, sagt Triebenecker. Auch alte Filme wurden gesichtet. Dazu gehörte der Defa-Dokumentar-Streifen „Von Hamburg bis Stralsund“ ( 1949/50) von Karl Gass und Andrew Thorndike. Herausgekommen ist „eine Fülle von Geschichten“, so Triebenecker. Und immer sei bei den zahlreichen Gesprächen der Stolz auf die geleistete Arbeit zum Ausdruck gekommen. Entstanden ist daraus nun eine „szenische Revue“ — eine Aufeinanderfolge von Szenen, die lose miteinander verknüpft sind. Dabei gehe es zum einen um ganz konkrete historische Ereignisse, wie zum Beispiel den 17. Juni 1953, als die Leute nach Hause geschickt worden seien. Oder um ganz kleine private Erlebnisse, Alltagsepisoden und Erinnerungen. Auch wenn noch an Textpassagen gearbeitet wird, beginnen am Montag bereits die Proben. Unter den Laiendarstellern — vom Kind im Alter von zwölf Jahren bis zum betagten Senior — sind auch ehemalige Werftarbeiter, die sich selbst spielen. „Und wir hoffen, dass wir noch mehr gewinnen können“, so Triebenecker. Es gebe Figuren, die das gesamte Stück hindurch präsent seien. Aber auch Schauspieler, die nur einmal auftreten. Mit dabei sind zudem Chorsänger der Nikolaikirche. Insgesamt werden bis zu 70 Leute vor und hinter den Kulissen beteiligt sein. Und wenn es um Zeitzeugen geht, kommt man an einem Stralsunder nicht vorbei: Fotograf Harry Hardenberg, der im Sommer seinen 80. Geburtstag feiert, hat die Entwicklung der Werft mit der Kamera begleitet. Er hat dort Maler gelernt und zunächst auch in diesem Beruf gearbeitet, bis seit 1956 immer mehr die Fotografie sein Schaffen bestimmte. Unzählige Bilder von Schiffen, Schweißern, Kiellegungen und Flaggenwechseln dokumentieren das. Ausgewählte Aufnahmen sollen nun in die Theateraufführung eingebunden werden. Hardenberg ist von dem „ungewöhnlichen Projekt“ sehr angetan. „Es ist gut, dass so etwas gemacht wird“, meint der 79-Jährige. Schließlich sei die Werft immer bestimmend für die Hansestadt gewesen. „Ich finde, das ist eine tolle Idee, um das Problem Volkswerft wach zu halten. Es hängen ja nicht nur Arbeitsplätze, sondern Schicksale ganzer Familien dran“, erklärt Hardenberg. So einen Betrieb könne man nicht einfach sang- und klanglos in der Versenkung verschwinden lassen. Marlies Walther

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