Theater-Reform: Bürgerschaft fällt Wischiwaschi-Entscheidung

Weder Fisch noch Fleisch: Nach diesem Motto hat die Stralsunder Bürgerschaft gestern Abend eine Entscheidung zur anstehenden Theaterreform gefällt. Zwar stimmten die Stadtvertreter mit knapper Mehrheit einem Antrag der CDU-Fraktion sowie der Wählergemeinschaft Bürger für Stralsund (BfS) zu, demzufolge Oberbürgermeister Alexander Badrow (CDU) beauftragt wird, mit Kultusminister Mathias Bordkorb (SPD) über eine Fusion des Theaters Vorpommern mit der Theater und Orchester GmbH (TOG) in Neubrandenburg und Neustrelitz zu verhandeln. Allerdings soll der OB parallel zu diesen Verhandlungen prüfen, „ob eine Autonomie des Theaters Vorpommern, beispielsweise auf Basis des Städtetheater-Modells, über das Jahr 2016 hinaus möglich ist“, heißt es in dem Beschluss. Am Ende dieses Jahres läuft der aktuelle Haustarifvertrag am Theater aus, womit das Haus mit einem Schlag vor einem millionenschweren Finanzloch steht. Bis dahin muss ein Plan auf dem Tisch liegen, wie es weitergehen soll. Brodkorb will die TOG mit dem Theater Vorpommern zu einem „Staatstheater Nordost“ fusionieren, um Kosten zu sparen. Von derzeit 485 Stellen an beiden Häusern sollen 65 entfallen. Zählt man die Abschaffung der Tanzkompanie in Neustrelitz in diesem Fall hinzu, summiert sich die Anzahl der wegfallenden Jobs an den Theatern sogar auf über 90. Das Städtetheater-Modell der Bürgerinitiative „TheaterLeben!“, das von SPD, Grünen und Linken unterstützt wird, setzt indes darauf, dass die Eigenständigkeit des Theaters erhalten werden kann, wenn die Mitarbeiter auch in Zukunft weiter nach einem Haustarifvertrag bezahlt werden und nicht, wie von Brodkorb vorgeschlagen, nach dem für sie deutlich lukrativeren Flächentarifvertrag. Während der überaus emotional geführten Debatte im Löwenschen Saal des Rathauses, sagte die Grünen-Politikerin Friederike Fechner in einer bemerkenswerten Rede, „dass die Mitarbeiter des Theaters bereits seit 20 Jahren ohne Tariferhöhung ihre Arbeit tun und Hervorragendes leisten“. Vor diesem Hintergrund sei der „neuerliche Verzicht Zeichen einer beispielgebenden Solidarität und Opferbereitschaft“. Applaus aus den vollbesetzten Zuschauerreihen. Ebenso bemerkenswert war das Verhalten der SPD, die sich klar gegen den Fusionsvorschlag ihres eigenen Kultusministers aussprach. Fraktionschef Niklas Rickmann nannte Brodkorbs Verhalten im Umgang mit den kommunalen Theatergesellschaftern wörtlich eine „Frechheit“. Wieder Applaus. Der Minister hatte am Tag zuvor betont, dass eine stärkere finanzielle Beteiligung des Landes an den Theatern für den Fall, dass die Häuser nicht miteinander fusionieren, ausgeschlossen ist. Alle anderen Modelle seien nicht zukunftsfähig, sagte Brodkorb. CDU-Fraktionschef Stefan Bauschke ermahnte die Stadtvertreter, sich den Verhandlungen über eine Fusion nicht zu verschließen, andernfalls drohten dem Theater bereits ab nächstem Jahr zehn Prozent weniger Landeszuweisungen. Bauschke: „Wir haben jetzt die Chance, Fusionsbedingungen zu formulieren.“ Kein Applaus. Andere Abgeordnete sprachen dagegen von Erpressung. Wie geht‘s jetzt weiter? Stralsund war die erste Stadt, die einen Beschluss zur Theaterreform im östlichen Landesteil vorgelegt hat. In Neubrandenburg beraten die Stadtvertreter am 26. März, der Kreistag des Landkreises Mecklenburgische Seenplatte am 30. März. Die Städte Neustrelitz und Greifswald entscheiden im April, der Kreistag Vorpommern Rügen voraussichtlich erst im Mai. Im Entwurf der entsprechenden Beschlussvorlage für die Greifswalder Bürgerschaft ist das Votum für eine weitere Eigenständigkeit des Theaters Vorpommern bislang daran gebunden, dass auch Stralsund dafür stimmt, damit die beiden Hauptgesellschafter der Bühne keine unterschiedlichen Entscheidungen treffen. Ob diese Bedingung nun erfüllt ist, war gestern unklar. Benjamin Fischer

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