Uecker-Schau in Schwerin: Hiobs Leidensgeschichte als Inspiration

Eine Hiobsbotschaft hat wohl jeder schon einmal bekommen. Was vermutlich nur Wenige wissen: Der Name geht zurück auf die biblische Erzählung um den frommen Hiob, dessen Glaube an Gott durch Leiden auf die Probe gestellt wird. Hiob verliert seinen Besitz, seine Familie und seine Gesundheit und lässt sich trotzdem nicht von seinem Glauben abbringen. „Dass jemand die schlimmsten Dinge erfährt und aus dem Unglück Kraft schöpft, um weiterzumachen, hat mich tief beeindruckt“, sagt Künstler Udo Rathke. Es sei eine Botschaft, die in der heutigen Zeit und besonders vor dem Hintergrund der Corona-Krise wichtiger sei denn je. Gemeinsam mit dem für seine Nagelbilder international bekannt gewordenen Künstler Günther Uecker zeigt Rathke in der Landesbibliothek Mecklenburg-Vorpommern in Schwerin Arbeiten zum Thema „Das Buch Hiob“. Zahlreiche Künstler haben sich an Hiob abgearbeitet: Wer denkt, das Buch Hiob ist ein alter Schinken, der irrt. Geschrieben wurde es zwar schon vor mehr als 2000 Jahren, dennoch zählt es zu den bedeutendsten Dichtungen der Menschheit und in Anbetracht von Krieg, Hungersnöten, Flüchtlingsströmen und Pandemien stellt sich auch heute noch die Frage, wo ist die schützende Hand Gottes? Zahlreiche Künstler haben sich an dem konfliktreichen Stoff abgearbeitet, der Standhaftigkeit und einen unerschütterlichen Glauben verhandelt und sich mit dem leidvollen Schicksal eines Menschen beschäftigt. Auch Günther Uecker inspirierte das Buch Hiob dazu, sich mit Leid, Verletzung und Ungerechtigkeit in der Welt auseinanderzusetzen. Lesen Sie auch: Nagelkünstler Uecker zur Hafez-Schau in Rostock: „Bitte keine Huldigung!“ Zum 90. Geburtstag: Rerik feiert Ehrenbürger Günther Uecker Das Ergebnis ist ein Künstlerbuch mit 47 handsignierten Originalgrafiken. Jede Doppelseite umfasst eine Bild- sowie eine Textseite mit dem Bibeltext in Hebräisch und der deutschen Übersetzung Martin Luthers. Die Serie wurde in Jaffa gedruckt. Vier Werke dieses Zyklus besitzt die Landesbibliothek MV und zeigt sie nun in der Schau. Die Kapitel, die sich lesen wie Beschreibungen von Umweltkatastrophen oder menschliche Tragödien, werden von Uecker nicht illustriert, sondern sind vielmehr assoziative Verbindungen zum Text. Kreise, Kleckse, Spiralen und Nägel: Dafür nutzt Uecker elementare Zeichen, wie Kreise, Kleckse, Spiralen oder dynamische Striche, die auch symbolhaft aufgeladen sein können: Dazu gehören fragmentierte Kreuze, aber auch die für Uecker typischen Nägel, die unheilvoll aus dem Bild ragen und zugleich ästhetisches Element sowie Symbol für Schmerz und Leid sind. Die teilweise verwischten Linien zeigen die Dynamik, mit der der Künstler arbeitet. Im stetigen Prozess des Überdeckens und Verwischens offenbart sich zugleich Vergänglichkeit und Erneuerung. Eine völlig andere Herangehensweise hat Künstler Udo Rathke. Insgesamt 40Zeichnungen, die bereits in der Rostocker Petrikirche zu sehen waren, hat er zum Buch Hiob gestaltet. Schon öfter ließ sich Rathke, der gemeinsam mit Künstlerin Miro Zahra das Künstlerhaus Schloss Plüschow leitet, von literarischen Texten zu seinen Arbeiten inspirieren. Unter anderem in seiner Serie „Inferno“ in der er sich auf die Höllendarstellung des italienischen Dichters Dante in dessen „Göttlicher Komödie“ bezieht. Bei seinen Arbeiten zum Buch Hiob verarbeitet der Maler und Grafiker einzelne Textpassagen, die mit seinen expressiv anmutenden Zeichnungen korrespondieren. „Es gibt einige Textzeilen, die mir so nahegehen, dass ich sie in eine bildliche Form bringen wollte“, sagt Rathke. Dazu gehört der verzweifelte Ausruf Hiobs: „Ich bin unschuldig“, den Rathke farbig unterlegt in Schreibschrift auf Papier gebannt hat. Rot-Schwarz-Kontrast sorgt für dramatische Ästhetik: Dafür nutzt er unter anderem Zeichenmittel wie Graphit und Acryl, mit denen er mal in Schwarz-Weiß arbeitet oder mit kraftvollem Rot-Schwarz-Kontrast eine dramatische Ästhetik erzeugt. Es gehe ihm darum, sein eigenes inneres Bild aufs Papier zu übertragen, sagt Rathke. Für den Künstler ein intuitiver Prozess. Neben ungegenständlichen Arbeiten tauchen auch figürliche Darstellungen auf, mit denen er Hiob ein Gesicht gibt und sich so elementar von der Reduktion im Stil Ueckers unterscheidet. In seiner eigenen Formensprache mit Graphit auf Büttenpapier hat auch Rathke ein großformatiges Buch zum Thema gestaltet. Für den Künstler ein Herzensprojekt. „Das Buch Hiob zu lesen, könnte auch heute noch vielen Menschen Kraft geben, mit der aktuellen Situation umzugehen“, ist Rathke überzeugt. Die Schau„Das Buch Hiob“ ist bis zum 30. Oktober in der Landesbibliothek Mecklenburg-Vorpommern Günther Uecker (Johannes-Stelling-Straße 29 in Schwerin) zu sehen. Gezeigt werden Arbeiten von Günther Uecker und Udo Rathke. Künstler Udo Rathke ist am 1. Oktober um 18 Uhr zu einem Künstlergespräch mit Lesung zu Gast in der Landesbibliothek Mecklenburg-Vorpommern. Gezeigt werden sollte die Ausstellung bereits im März dieses Jahres. „Wir sind sehr froh, dass wir mit der Schau nun zum regulären Ausstellungsbetrieb zurückkehren können“, sagt Frank Pille, Leiter der Landesbibliothek MV, die den Zusatz Günther Uecker trägt. Mit den Arbeiten des Künstlers würdige man nicht nur das Uecker-Jahr – im März feierte der Künstler seinen 90. Geburtstag –, sondern erinnere auch noch einmal an seine Funktion als Namensgeber, so Pille. Die Schau ist noch bis zum 30. Oktober zu sehen. Besucher können zudem die Dauerausstellung „Wustrower Tafeln“ besuchen, in der Arbeiten von Uecker sowie des Fotografen Rolf Schroeter zu sehen sind. 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