Vertrauen durch Misstrauen

In den westlichen Gesellschaften nimmt die Zahl gebildeter Menschen zu, der Wohlstand wächst. Das führe zu einem sinkenden Vertrauen in gesellschaftliche Institutionen wie Regierung, Parlament, Institutionen und auch die Medien, schätzt Prof. Bernd Blöbaum ein. „Mehr Erfahrung führt zu einer misstrauerischeren Haltung“, erläutert der Münsteraner Professor für Kommunikationswissenschaft. Der Sprecher des Graduiertenkollegs „Vertrauen und Kommunikation in einer digitalisierten Welt“ ist in diesem Semester Gastwissenschaftler im Krupp-Kolleg. Heute Abend um 18.30 Uhr spricht er dort über „Vertrauen geben und nehmen. Wie Medien durch Misstrauen das Vertrauen des Publikums gewinnen“. Das Publikum erwarte von den Medien, dass sie eine Kontrollfunktion wahrnehmen, dass sie Missstände aufdecken, den Mächtigen auf die Finger schauen. „Durch die Fähigkeit, misstrauisch zu sein, erhalten sie sich das Vertrauen des Publikums“, erläutert der Professor. Darauf seien sie auch angewiesen. Für Leser, Hörer und Zuschauer sei es wiederum entscheidend, dass die Medien die Wahrheit berichten, dass sie Informationen vor der Verbreitung geprüft hätten. Einen Qualitätsverlust der Berichterstattung in der letzten Zeit könne er nicht feststellen. „Dafür gibt es überhaupt keine Hinweise“, betont Blöbaum. Wieviel Vertrauen das Publikum in Informationen habe, das hänge stark von der Reputation der Marke ab, da habe der „Spiegel“ gute Karten. Eine Personalisierung von Inhalten durch Fotos und Hinweise auf Autoren sei eine vertrauensbildende Maßnahme. Auch das Eingestehen von Fehlern wirke so. „In England und den USA haben Printmedien sogar Korrekturspalten“, berichtet Bernd Blöbaum. In seiner Forschung befasst er sich auch damit, ob die Digitalisierung das Vertrauen beeinflusst, wie Journalisten beispielsweise mit Filmen auf der Internetplattform Youtube umgehen. Zeigen Videos aus Syrien die Wahrheit oder seien sie Propaganda, nennt er eine Frage. Zwar sei für Onlinejournalisten die Fehlergefahr höher, aber diese könnten auch leichter als beim gedruckten Produkt korrigiert werden. eob OZ

Greifswald - Vertrauen durch Misstrauen