Wenn die Ex dem Neuen im Nobelheim Dosenbier serviert

Die letzte Station auf seiner diesjährigen „Tourlaub“-Konzertreise an der Ostseeküste war für den Berliner Rockpoeten Dirk Zöllner nebst Tastenmann André Gensicke am Samstagabend die Kulturkirche. Im voll besetzten Gustav-Adolf-Saal flachste Zöllner mit „Gensi“ zwischen den Songs herum. Es ging unter anderem um „Fisch mit Schrippe drumherum“. Die beiden Musiker hatten diesmal auch ganz neue Lieder im Reisegepäck, die im September auf einem Album erscheinen werden. „Du ziehst mich aus“, lautete der Titel eines bisher noch nicht veröffentlichten Zöllner-Songs, in dem es natürlich nicht nur um das Entkleiden durch die geliebte Frau geht. Denn in Zöllners Liedern geht es bei aller Verliebtheit auch immer wieder um den schmerzvollen Prozess des Entliebens, und da durfte der etwas ältere Song „Meine Königin“ nicht fehlen. Voller Bitterkeit stellt Zöllner fest, dass jetzt die einst heiß geliebte Ex ihrem neuen Gatten im noblen Architektenhaus das Dosenbier serviert. Über die Rache von abgelehnten Frauen ging es in einem weiteren Song aus dem noch nicht erschienenen Album. Eine unglaublich emotionale Wucht verlieh Zöllner mit seiner unverwechselbaren Stimme einem der stärksten Lieder des Abends, in dem er die widersprüchliche "Idylle im Krieg" thematisierte. Wie soll es eine friedvolle Welt geben, wenn nicht einmal im Kleinen der Familienfriede gewahrt werden kann? Diese Texte sind es, die den zuweilen herumblödelnden Zöllner immer mehr als einen weisen Mann erscheinen lassen — wie guter Wein wird er immer reifer. Zöllner und Gensicke verstehen sich übrigens wie ein altes Ehepaar, das nach 28 gemeinsamen Jahren zwar alle Macken des anderen kennt, sich aber dennoch blind versteht. Es war ein glanzvoller Abend, der nach stehenden Ovationen durch die Zugabe des zeitlos schönen „Käfer auf‘m Blatt“ gekrönt wurde. Christian Rödel

Stralsund - Wenn die Ex dem Neuen im Nobelheim Dosenbier serviert