Willkommen in der Provinz, Herr Stahl

Kaum sind die Reden beendet, stürmt eine Frau im Petticoat auf Armin Mueller-Stahl zu: „Herr Mueller-Stahl, ich bin ein großer Fan von Ihnen, ich bin ja so glücklich, Sie zu sehen!“ Lela Zenk, eine Mitarbeiterin aus der Greifswalder Stadtverwaltung, kurvige Figur, volle Lippen, blickt dem 83-jährigen Weltstar strahlend ins Gesicht. „Was sind Sie für ein schönes Kind“, sagt Mueller-Stahl lächelnd — und es klingt fast, als sei dieser Anblick für ihn der erste angenehme an diesem Freitagabend in der Sparkasse Greifswald. Mueller-Stahl mag solche Abende nicht besonders, wie er später im Getümmel sagt, zwischen rund 150 geladenen Gästen. Aber er tue, was sein Galerist für richtig halte, wenn es um seine Bilder geht. Seine Bilder? Ja, der Schauspieler Armin Mueller-Stahl malt: Skizzen, Ölgemälde, Lithografien, schon seit Jahrzehnten, früher öfter auch in Drehpausen, inzwischen meist in seinem Atelier in Kalifornien. „Menschenbilder“, heißt die Ausstellung, die er jetzt bis zum 20. November in den Sparkassenräumen am Marktplatz zeigt. „Multitalent“ nennen ihn viele, „Genie“, schwärmt Lela Zenk. In der DDR hatte sich der studierte Musiker als Schauspieler mit Filmen wie „Tödlicher Irrtum“ in die Köpfe der Zuschauer gespielt, ab 1980 machte er im Westen und später in Hollywood Karriere als Charakterdarsteller. Er war der König und der Bettler — so beschreibt er es in seinem Gedicht „Der Gaukler“, das er auch vor den Greifswaldern vorträgt, mit Berliner Akzent und großen Gesten. Ganz still wird es da im Saal. Denn selbstironisch deutet Stahl in diesen Versen auch die Angst an, dass die Erinnerung an ihn bald verblassen wird. Vielleicht ist die Malerei sein Versuch, Bleibendes zu schaffen. Noch mehr aber scheint sie eine frühe Leidenschaft zu sein, der Mueller-Stahl erst spät Raum gab: Erst seit er 70 ist, stellt er seine Bilder aus. In Interviews erzählt er, dass er am liebsten bildender Künstler geworden wäre, wenn er nach dem Zweiten Weltkrieg nicht erst Brötchen hätte verdienen müssen. Denn beim Malen fühle er sich frei und vergesse die Zeit. In Greifswald sind die Wände im ersten Stock der Sparkasse nun mit großformatigen Ölgemälden von ihm gesäumt — melancholischen Porträts und Landschaften, die Vorpommern-Greifswalds Landrätin Barbara Syrbe (Die Linke) auf den ersten Blick „etwas zu düster“ findet. Doch in den Fluren leuchten noch ganz andere Seiten des Künstlers auf. Lebenslustige Lithographien, leichte, schnell hingeworfene Kohleskizzen, die mit sicheren Strichen etwa Musiker in Szene setzen. Porträts von berühmten Persönlichkeiten, darunter Willy Brandt als junger Bundeskanzler, die Augen geschlossen, schwarze Striche als Tränensäcke, ein Lächeln umspielt die Lippen. Ganz privat wirkt dieses Bild, fast intim. Man spürt, dass hier einer das Beobachten beherrscht. Und eine beeindruckende Vielfalt an Techniken. Ob die Greifswalder es beherrschen, einem Star wie Stahl den roten Teppich auszurollen, ist eine andere Frage. Die Sparkasse Vorpommern hatte ihn eingeladen, doch die Begrüßung verrutscht. Erhöht auf einem Podest steht Sparkassen-Chef Uwe Seinwill, als Armin Mueller-Stahl in den Ausstellungssaal tritt. Das Publikum kann ihn kaum sehen, erst verzögert kommt der Applaus. Doch statt den Dreifachkünstler nun aufs Podest zu bitten und vorzustellen, lässt Seinwill ihn am Türpfosten stehen. Lang und umständlich begrüßt der Banker erst die Gäste aus Vorpommerns Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Ein „Stahl-Experte“ werde gleich noch Stahls uvre würdigen, kündigt er schließlich an — und gibt vorher doch noch schnell die eigene Einschätzung ab: „Stahls Bilder haben eine Qualität, dass man sagen muss: Ja, doch... das ist schon ein Talent.“ Ja, doch. . . das ist schon ein Talent!“ Uwe Seinwill, Vorstand Sparkasse Vorpommern Sybille Marx

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