Betrug bei Corona-Hilfen in MV: So kommen die Behörden den Tätern auf die Spur

Da mussten die Mitarbeiter im Landesförderinstitut einfach stutzig werden: In 60 Anträgen auf Corona-Soforthilfen tauchte immer wieder die gleiche Bankverbindung auf. Die Alarmsysteme schlugen an, die Bearbeitung der Anträge und eine mögliche Auszahlung wurden sofort gestoppt. Andernfalls wären 1,5 Millionen Euro an Steuermitteln, mit denen eigentlich notleidende Unternehmen unterstützt werden sollten, in die Taschen von mutmaßlich Kriminellen geflossen. Dies ist der schwerste Fall von Subventionsbetrug bei den Corona-Rettungsgeldern, der bislang in MV bekannt wurde. Nicht immer blieb es beim gescheiterten Versuch: Manchmal wurde tatsächlich Geld ausgezahlt, berichtet Jörg Ebert, Sprecher der Staatsanwaltschaft Schwerin. 40 Fälle bearbeitet die Ermittlungsbehörde in der Landeshauptstadt zurzeit. 74 Fälle sind es landesweit, so eine OZ-Umfrage bei den vier Staatsanwaltschaften im Land. Welche Beträge in dunkle Kanäle versickerten, ist unklar. Allein bei den bisher bekannt gewordenen Fällen geht es um eine Gesamtsumme von 2,2 Millionen Euro, einschließlich den besonders dreisten Versuch mit den 60 Einzelanträgen. Ermittlungen erst am Anfang: „Meistens handelt es sich um Hilfen für kleine Unternehmen von bis zu 9000 Euro“, sagt Martin Cloppenburg, Sprecher der Staatsanwaltschaft Stralsund, wo zurzeit vier Fälle auf den Schreibtischen liegen. Die Ermittlungen stünden noch ganz am Anfang. Nicht immer ist klar, ob überhaupt eine kriminelle Absicht dahintersteht. So gibt es beispielsweise auch solche Fälle, bei denen Antragsteller und Kontoinhaber nicht identisch sind. Das könnte theoretisch auch andere Gründe als Betrug haben, beispielsweise einen banalen Irrtum, so Cloppenburg. Dennoch müsse erst einmal wegen eines Anfangsverdachts ermittelt werden. 30 Hinweise in Rostock: In Rostock gingen bislang 30 Anzeigen und Hinweise ein, die Ermittlungen und Vorermittlungsverfahren auslösten. „Die Schadenssumme bewegt sich in einem Bereich von 270 000 Euro“, sagt Harald Nowack, Sprecher der Staatsanwaltschaft Rostock. Welche der vier Staatsanwaltschaften in MV ermittelt, hängt vom Firmensitz des verdächtigen Antragstellers ab. Lässt sich dieser nicht feststellen, etwa weil die Täter falsche Angaben machten oder Scheinidentitäten verwendeten, übernimmt die Staatsanwaltschaft Schwerin. Das gilt auch für die Fall mit den 60 Einzelanträgen. Im Bereich der Staatsanwaltschaft Neubrandenburg liegt bisher noch kein Verdachtsfall vor. Die Hinweise auf Betrugsverdacht kommen größtenteils vom Landesförderinstitut. Daneben bringen auch Banken und die Geldwäsche-Abteilung des Zolls die Ermittler auf die Spur, wenn sie Auffälligkeiten beobachtet haben. Das könne sein, wenn auf einem Konto nichts auf einen Geschäftsbetrieb hindeutet, dort aber trotzdem auf einmal die Corona-Hilfen vom Land landen. Die „Ausnahmesituation wird von so manchem Kriminellen dreist ausgenutzt“, sagt Justizministerin Katy Hoffmeister (CDU). 345 Millionen Euro ausgezahlt: Nach Angaben des Schweriner Wirtschaftsministeriums stellten 43 000 Firmen und Soloselbstständige in MV bis zum Auslaufen der Antragsfrist Ende Mai insgesamt 43 000 Anträge auf Corona-Soforthilfen. Gut 36 000 davon wurden genehmigt, 2400 zurückgezogen und 750 abgelehnt. Der Rest ist noch offen, 345 Millionen Euro wurden ausgezahlt. Von den schnellen und vergleichsweise unkomplizierten Corona-Soforthilfen fühlten sich offenbar Kriminelle in ganz Deutschland angesprochen. Es laufen bundesweit Ermittlungen in Hunderten von Fällen. In Berlin kam vor ein paar Tagen ein 30-Jähriger sogar in U-Haft, der sich 145 000 Euro erschwindelt haben soll. Das tägliche OZ Corona-Update als Newsletter Alle News zum Coronavirus in Mecklenburg-Vorpommern täglich gegen 19 Uhr im E-Mail-Postfach Lesen Sie auch: Verdacht auf Subventionsbetrug: Razzia in Berliner Islamistenszene Corona-Betrug mit Soforthilfen: Hunderte Ermittlungsfälle in Niedersachsen Neue Corona-Betrugsmasche zielt auf Sparkassenkunden ab Von Gerald Kleine Wördemann