Erkältungswelle in MV: Habe ich Schnupfen oder Corona?

Die Erkältungszeit ist da: In MV sind in den vergangenen 14 Tagen deutlich mehr Kinder mit Atemwegserkrankungen registriert worden als in den Wochen davor. In der zweiten Augusthälfte wurden laut Landesamt für Gesundheit und Soziales insgesamt 7359 Kinder krank, in der ersten Hälfte waren es noch 2279. Ärzten zufolge kommen auch mehr Erwachsene mit Erkältungssymptomen in die Praxen. In der aktuellen Pandemie stellen sich wohl viele Erkrankte besorgt die Frage: Habe ich Schnupfen oder vielleicht doch Corona? Stefan Zutz, Vorsitzender des Hausärzteverbands MV, beruhigt: „Solange man nur leicht erhöhte Temperatur, Halsschmerzen, Husten und eine verstopfte Nase hat, ist es relativ unwahrscheinlich, dass man Corona hat.“ Erst wenn die Temperatur über 38,5 Grad steigt, der Husten trocken und anhaltend ist oder der Geruchs- und Geschmackssinn gestört sind, sollte man den Arzt anrufen. Kein Grund für Arztbesuch: Zutz bittet Eltern und Lehrer eindringlich: „Schickt uns nicht jedes Kind mit Schnupfen.“ Auch für Erwachsene sei eine einfache Erkältung selbst unter Corona-Bedingungen kein Grund, einen Arzt aufzusuchen. Es gebe dafür auch keine Krankschreibung. „Wichtig ist, jetzt die Nerven zu behalten. Wenn jetzt jeder mit Erkältungssymptomen zum Arzt kommt, kommen wir nicht mehr hinterher und haben nur noch damit zu tun, Corona auszuschließen. Auch seine eigene Praxis sei jetzt voll mit Schnupfen-Patienten: „Wir sehen eine deutliche Zunahme der Atemwegserkrankungen. Das ist derzeit unser Hauptarbeitsfeld“, so der Verbandsvorsitzende. Ein wenig paradox, denn wegen der Corona-Schutzmaßnahmen müssten doch eigentlich viele Ansteckungswege verhindert werden. Doch Zutz hat eine Erklärung: „Jetzt gehen die Kinder wieder zur Schule, die über mehrere Monate abgeschirmt waren. Sie holen jetzt quasi die Infektionen aus dem Frühjahr nach.“ Lesen Sie auch: Irgendwann “nur noch ein Schnupfen”: Wird das Coronavirus schon harmloser? Noch mehr Infektionen im Herbst: Kirsten Schöler ist Bezirksvorsitzende Rostock/Schwerin beim Berufsverband der Hals-Nasen-Ohren-Ärzte. Auch sie bestätigt: „Seit einigen Wochen beobachte ich eine gestiegene Zahl von Infekten der oberen Atemwege – der sogenannten Sommergrippe. Und der Herbst kommt – da werden auch mehr Infektionen kommen.“ Die Fachärztin meint, es sei nicht immer einfach, Schnupfen von Corona zu unterscheiden. Es gebe bei beiden Erkrankungen kein einheitliches Krankheitsbild. „Der Eine hat bei Schnupfen eine verstopfte Nase, der Zweite Husten und der Dritte Halsschmerzen.“ Corona sei ebenfalls eine Infektion der Atemwege. „Gerade bei leichten Verläufen ist die Unterscheidung noch schwieriger.“ Zumal wegen der geringen Verbreitung in MV viele Ärzte im Land noch nie einen Corona-Kranken behandelt hätten – eingeschlossen sie selbst. Lesen Sie auch: Corona-Experte: In MV ist Covid-19 nicht schlimmer als die Grippe Kein Power-Kuscheln: Schöler rät: „Wer sich nicht sicher ist, sollte sich zuerst selbst fragen: ,Wo war ich in letzter Zeit?’ und ,Mit wem hatte ich engeren Kontakt?’“ Zur Sicherheit sollte man dann einige Tage zu Hause bleiben, um zu sehen, wie sich die Erkrankung weiter entwickelt, und sich währenddessen von Familien oder anderen Mitbewohnern fernhalten. „Das gilt eigentlich immer: Wenn ich einen Infekt habe, darf ich nicht Power-Kuscheln machen.“ Wenn es nach dieser Zeit nicht besser geworden ist, sollte man sich an einen Arzt wenden – aber grundsätzlich erst telefonisch. „Der Arzt entscheidet dann, wie es weitergeht“, sagt Schöler. Wenn der Patient in die Praxis kommen muss, hat Schöler dafür einen eigenen Behandlungsraum. „Da wird der Patient dann zügig behandelt, damit er schnell wieder raus ist.“ Kommentar: Erkältungszeit beginnt: Salbeibonbons statt Corona-Panik Corona weiter ernst nehmen: Die Ärztin bittet dringend darum, trotz der weiter niedrigen Infektionszahlen in MV Corona nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. „Auch bei jungen und sonst gesunden Menschen kann es schwere Verläufe geben. Man darf auch nicht nur an sich denken, sondern auch an die Allgemeinheit“. Schöler fürchtet, dass es im Rahmen ihrer Arbeit auch irgendwann sie selbst treffen könnte. „Ich möchte jedenfalls niemanden anstecken, der dann auf der Intensivstation landet.“ Das sagen die Menschen auf der Straße: Eine Straßenumfrage der OZ in Rostock zeigt, dass die Menschen bei diesem Thema durchaus verunsichert sind. Ute Philipp aus Franken meint: „Ich hatte in der aktuellen Saison noch keinen Schnupfen. Wenn ich einen gehabt hätte, wäre ich aber zum Arzt gegangen.“ Angst vor Corona habe sie nicht: „Ich denke, das wäre nicht anders, als wenn man eine Grippe bekommt.“ Sie sieht eine hohe Ansteckungsgefahr in vollen Arztpraxen:„Deshalb würde ich versuchen, beim Arzt so spät wie möglich einen Termin zu bekommen." Marina Reinert, Rentnerin aus dem Harz, sagt: „In der aktuellen Coronazeit hatte ich noch keinen Schnupfen. Doch auch wenn, dann hätte ich keine Bedenken gehabt. Wenn es etwas Schlimmeres gewesen wäre, dann hätte ich das gemerkt. Ich weiß, wie mein Körper dann reagieren würde.“ Vor einer Ansteckung beim Arzt habe sie weniger Angst als vor einer Infektion in Menschenmassen. „Wenn ich einen Schnupfen bekomme, würde ich zum Arzt gehen“, sagt Günter Mohnitz, Soldat aus Wilhelmshaven. „Angst vor einer Ansteckung hätte ich dort aber ganz und gar nicht, da ich Soldat bin und das bei uns sehr gut geregelt wird.“ Er hätte auch bei Schnupfensymptomen keine Angst, dass es Corona sein könnte, glaubt Mohnitz. „Schnupfen ist ja nur ein Symptom von Corona. Ich hätte eher Angst, wenn noch Husten oder eine schlechte Atmung hinzukommen würden.“. Lesen Sie auch Mehr als 1000 Corona-Infektionen in MV nachgewiesen Pläne für den Corona-Herbst: Müssen Schüler in MV vor dem Unterricht zum Fiebermessen? Irgendwann “nur noch ein Schnupfen”: Wird das Coronavirus schon harmloser? Von Axel Büssem und Clara Weiland