Freiwillige Quarantäne: Rügener Feuerwehrmänner in Isolation

Acht Männer auf Campingliegen in einem Raum. Was ein wenig nach Abenteuerurlaub unter Kumpels klingt, hat einen ernsten Hintergrund. Die Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr Bergen haben sich dazu entschlossen, 14 Tage und Nächte gemeinsam in ihrem Gerätehaus zu verbringen. „Sollte ein Kamerad positiv auf Corona getestet werden, würden durch unseren ständigen Kontakt alle Mitglieder unter Quarantäne gestellt werden, wie es anderswo bereits geschehen ist“, erklärt Gemeindewehrführer André Muswieck. Eine Hilfeleistung im Ernstfall wäre dann nicht mehr gewährleistet. Der Krisenstab, den Bürgermeisterin Anja Ratzke am vergangenen Donnerstag an einen Tisch geholt hat – und dem auch der Amtswehrführer Frank Blohm angehört –, hat den Handlungsbedarf erkannt und über Lösungsansätze beraten. In dem Quartalsgespräch zwischen Bürgermeisterin und Feuerwehr kamen die Verantwortlichen nur einen Tag später zu dem Entschluss, die Kameraden zu isolieren, um eine Einsatzbereitschaft sicherzustellen. Seit Sonnabend verbringen acht Männer nun jede Minute gemeinsam in ihrem Gerätehaus. Zuvor wurden jedoch alle Kameraden auf eine Infektion getestet. „Wir haben Dr. Rühlow und Schwester Susanne zu danken, dass das ermöglicht wurde“, so Muswieck. Am Montag kam das Ergebnis, dass alle Tests negativ ausgefallen sind. Straffer Tagesablauf gegen den Lagerkoller: Seitdem herrscht in dem Gerätehaus Männerwirtschaft, jedoch nach einem strikten Plan. „Gegen den Lagerkoller hilft nur ein straffer Tagesablauf“, meint der Gemeindewehrführer. So klingelt trotz Isolation morgens für alle der Wecker. Nach dem gemeinsamen Frühstück wird für Ordnung gesorgt – Tischdienst, Toiletten- und Duschenputzdienst. „Nicht so einfach für viele, die sonst nicht putzen“, gesteht André Muswieck. Der Verbleib in der Wache wird dann jedoch auch vorrangig für Ausbildungseinheiten genutzt, für die sonst gar nicht die Zeit bleibt. Vormittags und nachmittags sind Übungen eingeplant. Aber auch die Mittagsruhe ist wichtig. „Schließlich müssen wir auch nachts raus, wie es in der ersten Nacht gleich drei Mal geschehen ist“, erklärt der 48-Jährige. Zwischen den Einheiten und am Abend bleibt dann noch Zeit für sportliche Betätigungen. Da kommt den Isolierten nun zugute, dass erst Ende letzten Jahres Fitnessgeräte besorgt worden sind. „Es bedeutet für jeden Einzelnen Entbehrungen. Mit der Familie ist man nur über soziale Medien in Kontakt. Besuche sind nicht möglich“, bestätigt André Muswieck. „Dafür ist dann die gemeinsame Nachrichtenschau Pflicht. Viele haben auch ein Buch dabei.“ Alles, was zum täglichen Leben und für die Mahlzeiten benötigt wird, wird von den Kollegen des Ordnungsamtes eingekauft und bis an das Gerätehaus geliefert. „Da werden dann auch Putzmittel bestellt. Alles muss bedacht werden. Eine Waschmaschine haben wir jetzt extra für diese Zeit angeschafft“, so Muswieck. Die Mittagsversorgung wird durch das Bistro am Markt ermöglicht. Auch dabei achten die Kameraden stets auf ein Kontaktverbot. Die Waren werden erst ins Haus geholt, wenn die Lieferanten längst wieder weg sind. Für die Nacht ist der Schulungsraum mit Campingliegen ausgestattet worden, die das Technische Hilfswerk schnell und umstandslos zur Verfügung gestellt hat. „Eigentlich ist das Gerätehaus nicht geeignet für solche Aktionen, aber wir versuchen, es uns so angenehm wie möglich zu machen“, sagt der Gemeindewehrführer. Ablösung erst nach negativer Testung: Bevor die Kameraden nach 14 Tagen abgelöst werden, müssen sich dann auch die nächsten Kollegen erst einem Test unterziehen. Danach werden sie sich zu Hause isolieren, bis das Ergebnis vorliegt und sie corona-frei in das Gerätehaus einziehen können. Dieses Wechselsystem soll nun so lange wie notwendig aufrechterhalten werden, was nicht immer einfach ist. „Es gibt auch Kameraden, die durchaus dazu bereit sind, aber in ihren Berufen nicht abkömmlich sind. Dabei muss zum Beispiel in jeder Besatzung ein Maschinist sein“, erklärt Muswieck, der derzeit seinem Job als Ranger im Nationalparkamt Jasmund fernbleiben muss. Die Arbeitgeber können den Verdienstausfall für diese Zeit, wie bei normalen Einsätzen ebenfalls üblich, bei der Stadt geltend machen. Die Bedeutung dieser besonderen Maßnahme stellt die Bürgermeisterin nochmals heraus. „Bergens Freiwillige Feuerwehr ist eine Schwerpunktfeuerwehr. An den Einsatzzahlen ist zu erkennen, dass viele Einsätze überörtlich sind. Außerdem ist sie auch durch die Ausbildungen sehr gut aufgestellt und daher für die Insel unverzichtbar“, sagt Anja Ratzke. „Wir sind den Kameraden unendlich dankbar, dass sie auf Familie, Freunde und Freizeit verzichten und bemühen uns, das dann auch angemessen anerkennen zu können.“ Mehr zum Thema: Corona-Liveblog: Das passiert aktuell in MV MV im Ausnahmezustand – das müssen Sie jetzt wissen Corona: Rostocker Experte erklärt, warum eine Ausgangssperre in MV falsch wäre Von Wenke Büssow-Krämer