Heringsdorf auf Usedom: Kai Diekmann gewährt Einblicke in seine Villa

Der Putz bröckelte von der Außenfassade, auf dem Hof schoss das Gras in die Höhe und selbst auf der Treppe bahnte sich die Natur in Form von Efeu und anderem Gestrüpp ihren Weg nach oben. Einzig eine Satellitenschüssel auf dem Dach zeugte davon, dass in der Villa „Meeresstern“ vor einiger Zeit noch Menschen gewohnt haben müssen. Zudem war der Blick auf die Ostsee total zugewuchert. Als Kai Diekmann im Jahr 2014, damals noch als Herausgeber und Chefredakteur der BILD-Zeitung, zum ersten Mal seine künftige Villa am Heringsdorfer Kulm besichtigte, war diese in einem sehr ruinösen Zustand. Ein sofortiger Bezug war undenkbar. Doch Diekmann war fasziniert vom Haus, der Bäderarchitektur im Ort und dem Blick aufs Meer. „Mehr Meer geht nicht“, sagte er damals bei der Aussicht auf die weite Ostsee. Er kaufte die Immobilie im Jahr 2015 und fortan hatten die Handwerker das Zepter in der Hand. Es wurde entkernt, abgerissen und entrümpelt – alles unter den Maßstäben des Denkmalschutzes. Erst nach vier Jahren konnte er die erste Nacht dort schlafen. Heute setzt Diekmann sein Umfeld besonders gern fotografisch in den sozialen Netzwerken in Szene. Ob am Strand, auf der Terrasse oder beim Eisbaden – seine Fotos teilt er mit tausenden Followern in den Netzwerken. Villa erstrahlt heute in neuem Glanz: „Wir haben die Villa von Grund auf saniert. Zwischenzeitlich gab es nicht mal ein Dach auf dem Haus“, erklärt er. Alte Zeitungen aus tiefsten DDR-Zeiten fanden die Handwerker in dem rund 170 Jahre altem Gemäuer. Zehn Jahre Leerstand, wenige Renovierungen und 40 Jahre Sozialismus hinterließen ihre Spuren an der Villa in Top-Lage. Heute erstrahlt die Villa in einem völlig neuen Glanz. Lichtdurchflutete Räume, große Fenster und viele kuschlige Ecken zeichnen das Haus über mehrere Etagen aus. Eine angrenzende Remise rundet das Ensemble ab. Der Komponist Humperdinck zog für eine Woche in die Villa: In seiner Beschäftigung mit der Geschichte der Villa stieß Diekmann auf den Aufenthalt Engelbert Humperdincks (1854-1921) in dem Haus im Herbst 1906. Diekmann fand heraus: Als der Komponist für rund eine Woche hier einzog, arbeitete er gerade an der Musik zum Shakespeare-Drama „Der Sturm“. Offenbar wollte er sich von der Kulisse inspirieren lassen. Erst zum Jahreswechsel 1904/1905 hatte eine Sturmflut Teile der Insel heimgesucht. Auch am Montagvormittag zeigte sich das Meer wieder von seiner kalten und rauen Seite. Und als Diekmann erforschte, dass es eine geschichtliche Verbindung zwischen seiner Villa „Meeresstern“ und dem Komponisten Humperdinck gab, kam ihm die Idee, dass man unbedingt die klassische Musik zum Leben erwecken sollte. Hinzu kam die Tatsache, dass dieses Jahr der 100. Todestag des Musikers begangen wird. „Wir alle haben versucht, weitere Puzzleteile zu finden“, so Diekmann. „Kleine Sensation“: Kai Diekmann findet musikalischen Schatz auf Usedom Viele Werke sind bei einem Brand vernichtet worden: Im April 2020 stieß Diekmann auf das Poesiealbum von Engelberts Humperdincks Schwester, Ernestine. Mit seiner Schwester musizierte er und spielte Klavier. Dieses Poesiealbum hat die Zeit bis heute wie durch ein Wunder überdauert. „Das ist nicht selbstverständlich, weil ein wesentlicher Teil des Humperdinckschen Besitzes bei einem Dachstuhlbrand vernichtet worden ist. So auch das gesamte Frühwerk von Engelbert Humperdinck“, erklärt er. Über einen Historiker ersteigerte Diekmann das Album. Neben Textbeiträgen von Cousinen, Tanten und Klassenkameraden fanden die Experten auch einen Eintrag von Engelbert Humperdinck. Allerdings war dies kein Text, sondern eine Komposition auf drei Seiten. Es heißt „Erinnerung“. Es ist die zweitälteste erhaltene Komposition überhaupt, weil die restlichen Werke beim Brand vernichtet wurden. „Diese Entdeckung ist für uns unglaublich aufregend. Es sind zauberhafte Melodien. Es ist großartig, wenn man einem Künstler zu seinem 100. Todestag wieder eine Bühne gibt und das Licht auf ihn lenkt.“ Drei Festtage zu Humperdinck auf der Insel Usedom: An drei aufeinanderfolgenden Tagen soll es im Heringsdorfer Kaiserbädersaal und in der Kirche im Walde Vorführungen zu Humperdinck geben. Geplant sind die Vorführung einer Verfilmung mit anschließendem Podiumsgespräch, die erste Heringsdorfer Humperdinck-Gala und eine Lieder-Matinee in der Kirche im Walde. Unterstützung bekommt Diekmann von Thomas Hummel, dem Intendanten des Usedomer Musikfestivals, welcher sich seit vielen Jahren um die Organisation von Veranstaltungen dieser Art kümmert. Lesen Sie auch „Kleine Sensation“: Kai Diekmann findet musikalischen Schatz auf Usedom Usedom: Ein Bad mit Ex-Bild-Chef Kai Diekmann in der Ostsee Kai Diekmann und die Hausbesetzer: Wie der Ex-Bild-Chef seine Potsdamer Villa eroberte Kai Diekmann auf Usedom: Wie sich der Ex-Bild-Chef in Heringsdorf verliebte Wenige Tage nach den Humperdinck-Tagen startet im Spätsommer das Usedomer Musikfestival. Unter anderem hilft Hummel beim Verkauf der Karten. „Der Kaiserbädersaal umfasst unter normalen Bedingungen rund 600 Plätze, unter Corona-Umständen etwa 150 Plätze“, sagt er. Im Vorjahr konnte er unter den Bedingungen gute Veranstaltungen durchführen. 150 Plätze sind derzeit geplant – vielleicht auch mehr: Für die beiden Abende im Kaiserbädersaal stehen derzeit 150 Plätze zur Verfügung. Die Veranstalter hoffen, dass mit dem Fortschreiten der Impfungen und der Freigabe von Corona-Schnelltests auch mehr Zuschauer möglich sein können. Die Veranstalter bieten nicht nur Musik, sondern auch Spaziergänge an, die Humperdinck selbst auf Usedom erlebt haben soll. Dieser führt zum Beispiel von Bansin nach Heringsdorf an der Strandpromenade entlang und bietet den Teilnehmern einen freien Blick auf die Villa Meeresstern. Von Hannes Ewert