Hohen Wangelin: Junge Frau (22) stirbt unter Hochspannungsleitung -Tragödie am Malkwitzer See

Das Entsetzen ist ihren Gesichtern immer noch deutlich anzusehen. „Als ich heute aufgewacht bin, dachte ich als Erstes: Wie gut, dass dieser Alptraum vorbei ist“, sagt der 22-jährige Mann aus Bayern, der mit Freunden in Hohen Wangelin (Landkreis Mecklenburgische Seenplatte) Urlaub macht. Er musste schnell feststellen, dass es kein Alptraum war, sondern die Realität, was in der Nacht zuvor am Malkwitzer See passiert ist. Romy, Mitglied der Gruppe, ist bei einem schrecklichen Unfall ums Leben gekommen. Ein Wohnmobil brennt: „Wir wollten uns die Sternschnuppen am See ansehen, dort ist sehr klare Sicht“, sagt ein anderer junger Mann aus der Gruppe. Zu dritt stehen sie an Morgen danach in einer Einfahrt, gut 200 Meter von der Unglücksstelle entfernt. Das Haus gehört der Großmutter einer 18-Jährigen aus der Clique. Vergangenes Jahr waren die meisten von ihnen schon einmal hier. Für Romy war es der erste Urlaub an der Seenplatte. Als die drei den See erreichen, sehen sie das von vorn bis hinten brennenden Wohnmobil. 20 000 Volt: Romy nähert sich dem Fahrzeug, will nachsehen, ob noch Menschen in dem Inferno sind. Ihre Freunde versuchen noch, sie zu warnen, vor den Flammen, vor der Hochspannungsleitung, deren Holzmast ebenfalls bereits brennt. Da passiert es: Ein Kabel aus der Freilandleitung in sieben Meter Höhe über dem kleinen Parkplatz reißt ab. Die junge Frau wird getroffen, stürzt zu Boden, das 20 000-Volt-Kabel liegt auf ihr. Sie bekommt viele Stromschlage ab, Flammen lodern auf. Entsetzliche Szenen: Es sind entsetzliche Szenen, die der Augenzeuge schildert. Sie ist noch bei Bewusstsein, ruft die Namen ihrer Freunde und dass sie jetzt stirbt. „Wir wollten Romy helfen, aber es ging nicht“, sagt ihr Begleiter. Noch immer läuft Strom durch das Kabel. Ein 17-Jähriger versucht es trotzdem und bekommt drei Stromschläge ab, die ihn zum Glück nur leicht verletzen. Kurz darauf treffen Feuerwehr und Rettungssanitäter ein, für Romy können sie nichts mehr tun. Tränen in den Augen: „Wir haben immer noch nicht richtig begriffen, was da passiert ist“, sagt der 22-Jährige, der in der Nacht im Haus geblieben. Alle drei haben Tränen in den Augen. Während des Unfalls seien vom See kleine Explosionen zu hören gewesen – verursacht vom brennenden Wohnwagen – und laute Schreie. „Wir dachten, da rennt ein Verrückter herum und schießt um sich“, sagt der jungen Mann aus der bayerischen Kleinstadt Weiden. Panisch rennen er, seine Freundin und ein weiterer 22-Jähriger aus dem Haus, um dem vermeintlichen Amokläufer zu entkommen. Der Mann, der mit ihm wegläuft, ist Romys Freund. Er wird später zusammenbrechen und ebenfalls ins Krankenhaus eingeliefert, als er erfährt, was tatsächlich passiert ist. „Es war die große Liebe“, berichtet einer der Freunde. Der 17-Jährige, der Romy noch retten wollte, ist der Bruder von Romys Freund. Beide kommen in die Klinik nach Güstrow. Beim Brand des Wohnmobils in Hohen Wangelin sind so hohe Temperaturen entstanden, dass die in mehreren Metern Höhe verlaufende Stromleitung zerstört wurde. Nach Informationen des Energieversorgers Edis handelte es sich um eine Leitung des 20 000-Volt-Mittelspannungsnetzes, die in mehr als sieben Metern Höhe verläuft. Die aus Aluminium bestehende Freileitung sei bei einer Hitze von über 600 Grad Celsius geschmolzen und dadurch gerissen. Durch die Unterbrechung kam es zu einem Stromausfall im näheren Umkreis, von dem unter anderem eine Feriensiedlung betroffen war. Dieser konnte durch den Einsatz eines Notstromaggregats beendet werden. Ein Edis-Sprecher betonte, die Leitungen an der Unglücksstelle habe sich in einwandfreiem Zustand befunden. Eine derartiger Zwischenfall sei bisher nicht aufgetreten. Mittelspannungsleitungen seien im 80 000 Kilometer messenden Netz des Stromversorgers gerade in ländlichen Regionen üblich. Beliebte Badestelle: Am Morgen danach begutachten Brandermittler vom Polizeipräsidium Neubrandenburg mit nüchternem Blick die zusammengeschmorten Reste des ausgebrannten Wohnmobils. Das Kabel, nun ohne Strom, liegt auf der Wiese. Ein Ermittler nimmt ein abgerissenes Stück und steckt es in einen Klarsichtbeutel. Nur wenige Meter weiter liegt der idyllische Malkwitzer See. „Das ist eine sehr beliebte Badestelle“, sagt Torsten Nörenberg, Bürgermeister der Gemeinde Hohen Wangelin. Es sei schrecklich, dass an diesem schönen Ort ein junges Leben so jäh beendet wurde. Es werde wohl eine Weile dauern, bis die Leute hier wieder baden gehen, ohne an den schrecklichen Vorfall zu denken. „Aber das Leben geht weiter“, sagt der Bürgermeister. Camper konnten sich und ihren Hund retten: Auch das Heidelberger Paar in dem Wohnmobil erlebte wohl den Schock seines Lebens. Die beiden haben Nörenberg geschildert, was passierte. Sie schliefen noch nicht, als plötzlich Rauch aus dem Armaturenbrett ins Innere ihres Fahrzeugs strömte. In Panik rissen sie eine Tür auf – was das Feuer erst so richtig in Gang setzte. Im selben Moment stand der komplette Wohnwagen in Flammen. Das Paar kann sich gerade noch retten. Das Einzige, was sie mitnehmen können, ist ihr Hund. Sie stehen unten am Ufer, als oben am Weg das nächste Drama beginnt. Ob sie die jungen Leute bemerkten, die nach ihnen gesucht haben, ist unklar. Lesen Sie auch: Romy (22) durch Hochspannungsleitung getötet – Freunde: „Wir konnten ihr nicht helfen“ Von Gerald Kleine Wördemann