Kampf gegen Corona trotz Krebserkrankung: Wie Manuela Schwesig die Krise meistern will

Die Corona-Krise stellt Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) vor eine große Herausforderung. Nicht nur als Politikerin mit Verantwortung für ein ganzes Land, sondern auch als Mensch – als Krebspatientin ist sie durch das Virus selbst besonders gefährdet. Im OZ-Interview erklärt Schwesig, wie sie diesen schwierigen Spagat bewältigt. Sie kämpfen gegen die Coronakrise und gegen Ihre eigene Krebserkrankung. Wie geht es Ihnen? Manuela Schwesig: Ich haben einen Großteil meiner Krebstherapie gut überstanden. Auch wenn ich noch nicht ganz durch bin, befinde ich mich auf einem guten Weg. Ich selber halte mich schon seit einem halben Jahr an die Regeln, die jetzt für alle gelten. Ich schüttele keine Hände, bleibe auf Abstand, wasche regelmäßig meine Hände. Aber ich kann sehr gut die Sorgen und Ängste vor Corona verstehen, insbesondere der Älteren und all derer, die schon mit anderen Erkrankungen zu kämpfen haben. Ihre Krebstherapie ist kräftezehrend. Gab es in den vergangenen Tagen Momente, an denen Sie gedacht haben, dass es jetzt zu viel ist? Ich habe das mit meiner Familie und den behandelnden Ärzten beraten. Ich kann meine Aufgaben voll wahrnehmen. Es gibt viele Verkäuferinnen, Schwestern und Ärzte, die jetzt alles geben, den Laden am Laufen zu halten. Auch sie tragen persönlich ein gewisses Restrisiko. Deshalb ist auch für mich klar, dass ich mich nicht zurückziehe, sondern alles gebe, damit das Land gut durch die Krise kommt. Erst prescht Bayern mit Ausgangssperren vor, dann sagt Schleswig-Holstein das Abitur ab. Gibt es jetzt nur noch den Wettlauf der Bundesländer um die spektakulärsten Maßnahmen statt einer differenzierten Prüfung? Wir Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten beraten uns regelmäßig, auch mit der Bundeskanzlerin. Die großen Entscheidungen haben wir gemeinsam getroffen, zum Beispiel das Kontaktverbot. Wir sollten uns nicht gegenseitig überbieten, sondern zu gemeinsamen Lösungen kommen. Ich habe als Ministerpräsidentin entschieden, dass wir alle harten Maßnahmen wie auch andere Bundesländer mitmachen, obwohl die Anzahl der Corona-Infizierten im Land noch geringer als anderswo ist. Das erhöht die Chance, die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen. Müssen wir uns auf noch härtere Maßnahmen einstellen? Das kann ich nicht ausschließen. Aber wir haben schon viel unternommen. Schließung von Kitas und Schulen, der Läden, Stopp des Tourismus, das Kontaktverbot. Wenn wir uns an all das halten, können wir schon viel erreichen. Trotzdem wird die Zahl der Infizierten in den nächsten Tagen weiter steigen. Unser Ziel muss es sein, dass sich das Virus möglichst langsam ausbreitet. So können wir allen Erkrankten die bestmögliche medizinische Versorgung zur Verfügung stellen. Die Wirtschaft, besonders die Tourismusbranche, liegt am Boden. Mit Lautsprecherwagen werden Urlauber und Zweitwohnungsbesitzer aus anderen Bundesländern regelrecht aus dem Land getrieben. Das macht was mit diesen Menschen. Werden wir uns von diesem Imageschaden je erholen? Ich habe sehr positive Rückmeldungen auf unsere Entscheidungen. Es gibt Verständnis dafür, dass sich jetzt alle einschränken müssen. Klar ist: Wir sind Tourismusland und wollen das auch bleiben. Deshalb ist meine Botschaft: Wir sehen uns wieder, wenn wir diese schwere Zeit hinter uns haben. Ich muss aber auch klar sagen, dass die medizinischen Kapazitäten in Mecklenburg-Vorpommern vor allem auf die Bevölkerung ausgerichtet sind. Deshalb war es wichtig, angesichts der aktuellen Bedrohung den Tourismus runterzufahren. Im Interesse der Bevölkerung, der Beschäftigten in der Tourismuswirtschaft, aber auch der Gäste selbst. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir nach Corona wieder an unseren Erfolg als Tourismusland anknüpfen können. Auch kleine Unternehmen müssen diese und nächste Woche Löhne und Mieten zahlen. Können Sie garantieren, dass diese Hilfen schnell und unbürokratisch ankommen, also konkret überwiesen werden? Wir arbeiten da mit Hochdruck dran. Wir haben ein großes Hilfspaket beschlossen, um die Unternehmen und Arbeitsplätze zu stabilisieren. Bevor wir unser Hilfsprogramm gestartet haben, haben wir mit der Wirtschaft und den Gewerkschaften gesprochen. Wir unterstützen zum Beispiel Klein- und Kleinstunternehmen in Schwierigkeiten mit einer Soforthilfe, die nicht zurückgezahlt werden muss. Die Anträge können ab sofort gestellt werden. Es ist das größte Hilfsprogramm, das es je in unserem Land gab. Damit können wir uns gegen die Krise stemmen. Die Werften haben Kurzarbeit angemeldet, auch anderen großen Arbeitgebern wie Aida Cruises geht es schlecht. Wir werden auch in MV um eine wirtschaftliche Rezession nicht herumkommen. Wie helfen Sie hier? Bundesweit wird über Verstaatlichung einiger Bereiche diskutiert? Wir kämpfen um jedes Unternehmen und um jeden Arbeitsplatz, egal wie groß der Betrieb ist. Deshalb haben wir dieses gigantische Hilfsprogramm von 1,1 Milliarden Euro verabschiedet. Da liegt der Fokus auf direkten Hilfen für kleine Firmen, die 77 Prozent unserer Wirtschaft ausmachen. Wir haben auch große Firmen wie Aida und die Werften. Für sie haben wir beispielsweise den Bürgschaftsrahmen um 400 Millionen Euro erhöht. Gerade jetzt merken wir, wie wichtig Krankenhäuser im Land sind, gerade auch die kleinen. Es ist noch nicht so lange her, da waren auch Schließungen in MV ein Thema. Was lernen wir aus dieser Krise? Würden Sie Krankenhäuser wieder kommunalisieren, also verstaatlichen? Ich kritisiere schon seit vielen Jahren die Ökonomisierung des Gesundheitswesens. Ob es die Schließung von Krankenhäusern ist oder der Abbau von Personal. Wenn die Corona-Krise ein Gutes bringt, dann dass jetzt allen bewusst wird, dass wir unser Gesundheitswesen besser ausstatten müssen. Es ist gut, dass Bund und Länder jetzt wegen Corona zusätzliches Geld in die Krankenhäuser geben. Nach der Corona-Krise müssen wir darüber reden, die Ökonomisierung des Gesundheitswesens zurückzunehmen. Ich hoffe, dass man jetzt ohne ideologischen Streit darüber reden kann. Ihre ganz persönliche Prognose bitte: Wann ist dieser Spuk vorbei? Darüber denke ich jeden Tag nach. Ich wünsche mir, dass es so schnell wie möglich ist, möchte aber auch keine falschen Hoffnungen wecken. Ich bin aber sehr zuversichtlich, dass unsere Maßnahmen bis 19. April Wirkung zeigen. Kurz vorher werden wir uns mit der Kanzlerin beraten, wie es weitergeht. Umso mehr Menschen sich an die Regeln halten, desto besser kommen wir da durch. Ich wünsche allen, dass Sie gesund bleiben. Ich danke Ihnen und alles Gute. 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