Keine Schwangerschaftsabbrüche im Greifswalder Klinikum: Woran liegt das?

Die Universitätsmedizin Greifswald soll Frauen die Möglichkeit geben, in der Hansestadt Schwangerschaftsabbrüche durchführen zu lassen: Das fordert die SPD-Politikerin Anna Kassautzki in einer Petition, die in der vergangenen Woche auf der Homepage Change.org veröffentlicht wurde. Mehr als 1600 Menschen unterstützen die Vorlage bisher. In dieser wird zudem gefordert, dass auch theoretische und praktische Methoden der Schwangerschaftsabbrüche im Medizinstudium behandelt werden sollen. Doch führt die Frauenklinik unter der Leitung des Direktors Marek Zygmunt tatsächlich keine Schwangerschaftsabbrüche durch? Die Universitätsmedizin dementiert die Vorwürfe. Abbrüche würden an der Frauenklinik grundsätzlich weiterhin vorgenommen werden, erklärt Sprecher Christian Arns auf OZ-Anfrage. Zu unterscheiden sei zwischen zwei Indikationen: Bei einer medizinischen Indikation handelt es sich um einen Eingriff, der vorgenommen werden muss, sobald Schwangeren Lebensgefahr oder die Gefahr einer körperlichen oder psychischen Beeinträchtigung droht. Uni-Medizin sagt: Keine Nachfrage im vergangenen Jahr: Anders ist es hingegen bei Abbrüchen mit sogenannten sozialen Indikationen. Hier können Ärztinnen und Ärzte frei entscheiden, ob sie den Eingriff durchführen oder daran beteiligt sein wollen. Die Universitätsmedizin betont, dass das Selbstbestimmungsrecht der Frauen ein hohes Gut sei, aber auch Ärzte und Ärztinnen das Recht haben, selbst zu entscheiden, ob sie diesen Eingriff durchführen: „Eine – gesetzlich unzulässige – Einflussnahme auf die persönliche Entscheidung der Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegende wird weder von der Uni-Medizin noch den Vorgesetzten in den Einrichtungen ausgeübt“, erklärt Christian Arns weiter. Im vergangenen Jahr habe es aufgrund der fehlenden Nachfrage keine Schwangerschaftsabbrüche an der Universitätsmedizin gegeben. Dass sich Frauen aufgrund der Anonymität dafür entscheiden, den Eingriff in einer anderen Stadt durchführen zu lassen, sei durchaus möglich, sagt Ulrike Schröter von der Beratungsstelle Pro Familia mit Sitz in Wolgast. Doch das sei nicht die Regel. Die meisten Frauen würden bereits Informationen darüber haben, wo genau ein Abbruch angeboten wird. Keine Information, dass Abbrüche in Greifswald vorgenommen werden: „Wir machen keine Werbung für Kliniken oder Praxen, aber wir informieren, wo man den instrumentellen und medikamentösen Abbruch vornehmen lassen kann“, erklärt Schröter weiter. In Vorpommern seien es hauptsächlich Kliniken. So gibt es das Angebot beispielsweise am Helios-Krankenhaus in Stralsund oder am Ameos Klinikum Anklam. Und in Greifswald? „Wir haben seit Jahren die Informationen, dass dort keine Abbrüche vorgenommen werden. Ich habe nichts anderes gehört. Wenn wir gefragt werden, sagen wir, dass es unseres Wissen nach nicht möglich ist.“ Die Initiatorin der Petition, Anna Kassautzki, kritisiert, dass die Greifswalder Frauenklinik nicht öffentlich angibt, Schwangerschaftsabbrüche anzubieten. Die Bundesärztekammer hat auf ihrer Homepage eine Karte veröffentlicht, auf der für jedes Bundesland zu sehen ist, wo Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden. Der Standort Greifswald fehlt. „Die Nennung in dieser Liste ist freiwillig. Da die Debatten um Schwangerschaftsabbrüche vielfach sehr emotional geführt werden und oftmals persönliche Anfeindungen mit sich bringen, respektieren wir den Wunsch der betroffenen Ärztinnen und Ärzte, hier nicht genannt zu werden“, erklärt Christian Arns auf die Frage, warum Greifswald nicht aufgelistet ist. Lesen Sie auch Streit um Informationen über Abtreibung: Ärztin Hänel legt Verfassungsbeschwerde ein Experte: So grassiert die britische Mutante in Vorpommern-Greifswald Warum in Greifswalds Einkaufsmeile keine Maskenpflicht gilt, aber in Stralsund SPD-Politikerin: „Keine kirchlich geführte Klinik“: Von mehreren Studierenden sei Kassautzki berichtet worden, dass das Thema Schwangerschaftsabbrüche während des Medizinstudiums nur bedingt behandelt werde. „Wenn es überhaupt thematisiert wurde, dann aus einer moralisch-rechtlichen Perspektive“, sagt Kassautzki. Auch diesen Vorwurf dementiert die Universitätsmedizin. Schwangerschaftsabbrüche würden gemäß Lernzielkatalog in der Hauptvorlesung und in Seminaren behandelt werden. „Wenn es eine kirchlich geführte Klinik wäre, dann würde ich es aus der Perspektive verstehen. Aber die Uni-Medizin Greifswald ist nicht kirchlich geführt“, sagt Kassautzki, die kaum glauben kann, dass es im vergangenen Jahr keine Nachfrage nach Abbrüchen an der Frauenklinik gegeben haben soll. Mit der Online-Petition will Kassautzki einen Denkprozess anstoßen. Mit dem Thema Schwangerschaftsabbrüche müsse offener umgegangen werden. Eben auch in Greifswald. Von Christin Lachmann