Kinderpornografie in MV: Polizei ermittelt gegen Minderjährige

Kinder und Jugendliche geraten in MV im Zusammenhang mit Kinderpornografie zunehmend ins Visier der Justiz – nicht nur als Opfer, sondern auch als Täter. Die Strafverfolgungsbehörden ermittelten 2019 landesweit gegen 25 Tatverdächtige unter 21 Jahren, weil sie Kinderpornografie besessen oder weiterverbreitet haben sollen. In den beiden Vorjahren waren es 28 beziehungsweise zehn Verdächtige in dieser Altersgruppe. Der jüngste mutmaßliche Täter war ein neunjähriges Kind aus Schwerin. Die Daten gehen aus der Antwort des Schweriner Innenministeriums auf eine Kleine Anfrage der fraktionslosen Landtagsabgeordneten Christel Weißig hervor. Fast alle Verfahren wurden demnach nach Abschluss der Ermittlungen eingestellt. Kinder unter 14 Jahren sind nicht strafmündig. In einem Fall vor drei Jahren wurde ein 18-Jähriger aus Hessen von einem Gericht in Rostock wegen einer Kinderpornografie-Straftat verwarnt. Nur die Spitze des Eisbergs: „Diese Fälle sind nur die Spitze des Eisbergs, die Dunkelziffer ist riesig“, sagt Gesa Stückmann. Die Rostocker Rechtsanwältin berät als Cybermobbing-Expertin bundesweit Schüler und Lehrer, wie sie sich gegen Diskriminierung im Netz schützen können. Dabei nähmen Bilder und Filme, die rechtlich unter Kinderpornografie fallen, einen immer größer werdenden Stellenwert ein. „Ich weiß aus den Schulen, dass es sehr große Probleme gibt“, sagt Stückmann, die in den vergangenen Jahren über Online-Seminare schätzungsweise 90 000 Schüler erreicht hat. Sie berichtet von einem Fall, bei dem Polizisten in einer Klasse eines Rostocker Gymnasiums Schülerhandys einsammelten, weil sie darauf strafbare Inhalte vermuteten. Der Expertin zufolge geht es in der Regel um zwei Arten von Kinderpornografie: Material, das im Netz kursiert, sowie selbst aufgenommene Bilder und Filme. Nacktfotos als Liebesbeweis: Zur zweiten Kategorie gehört es, wenn ein 15-Jähriger von seiner 13-jährigen Freundin als Liebesbeweis Nacktbilder verlangt, erklärt Stückmann. Schickt der Empfänger die Bilder dann noch an andere Freunde weiter, macht sich jeder strafbar, der sie auf dem Handy speichert – was bei Messenger-Diensten wie Whatsapp automatisch passiert, wenn die Voreinstellungen nicht geändert werden. Meist sind es erschrockene Eltern, die sich an die Polizei wenden und Strafanzeige erstatten. Die Expertin sieht in dem Phänomen, zu dem auch das Versenden sogenannter „Dick-Pics“ – Aufnahmen männlicher Genitalien – gehört, eine unterschätzte Gefahr. „Es wird nicht darüber gesprochen, weil das keiner auf dem Schirm hat“, sagt sie. Die Folgen können neben der Strafverfolgung tief sitzende Traumata sein, etwa wenn ein Kind nichts ahnend Bilder auf seinem Handy vorfindet, die es seelisch überfordern. Der Anreiz, so etwas zu verschicken sei, so Stückmann, „etwas Verbotenes zu tun“. Zugleich gibt es immer wieder neue, entsetzliche Fälle mit erwachsenen Tätern. Wie im Dezember bekannt wurde, klagt die Staatsanwaltschaft Dresden einen 38-Jährigen an. Er soll zwischen 2013 und 2020 in 18 Fällen Kinder schwer sexuell missbraucht haben, auf der Insel Usedom und in der Nähe von Meißen. Opfer waren zwei sieben und acht Jahre alte Mädchen sowie zwei Babys, alle aus dem Bekanntenkreis des mutmaßlichen Täters. Im anonymen Darknet betrieb der Mann ein Tauschforum für Kinderpornos. Von Gerald Kleine Wördemann