Mehr Geld für Erzieher: Rückenwind aus MV

Ein Erzieher oder eine Erzieherin in MV startet mit rund 2500 Euro ins Berufsleben. Und das auch nur, wenn er oder sie Glück hat und nach Tarif bezahlt wird. Ein junger Grundschullehrer bekommt 500 Euro mehr. Ist das gerecht? Der Vorstoß von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD), die Bezahlung der Erzieher auf das Niveau von Grundschullehrern anzuheben, hat diese Debatte neu entfacht. „Auch wir finden, dass Erzieher und Erzieherinnen zu wenig verdienen“, betont Annett Lindner, Landesvorsitzende der Bildungsgewerkschaft GEW. Darüber werde auch in der aktuellen Tarifrunde verhandelt. „Um überall Verbesserungen zu erreichen, brauchen wir jedoch die Pflicht zur Tarifbindung in Anlehnung an den Tarifvertrag im öffentlichen Dienst (TVÖD) im Bereich der Sozial- und Erziehungsdienste“, sagt Lindner. Nur ein kleiner Teil der Erzieher im Land wird in den wenigen verbliebenen Kitas in kommunaler Trägerschaft nach Tarif bezahlt. Die meisten arbeiten in Einrichtungen mit freier Trägerschaft, in denen meist Haustarife gelten, die laut Schätzung der GEW um bis zu 15 Prozent unter Tarif liegen. „Über die Jahre haben Länder und Kommunen in diesem Bereich gespart und durch die Ausgliederung an freie Träger eine Abwärtsspirale beim Gehalt in Kauf genommen“, sagt Lindner. Allerdings gebe es auch positive Entwicklungen. Die GEW MV verhandelt auch mit freien Trägern im Land die Tarifverträge in Kindereinrichtungen. „Erst kürzlich konnte die Gewerkschaft bei Kalis Kinderwelten in Rostock einen Abschluss verhandeln, der das Gehalt der Erzieherinnen um rund zehn Prozent verbessert und sich künftig nach dem TVÖD richtet.“ Giffey hatte gesagt: „Aus meiner Sicht verdienen Erzieherinnen und Erzieher, auch jene, die im Ganztagsbetrieb im Hort arbeiten, eine Bezahlung ähnlich wie Pädagogen, die etwa in der Grundschule arbeiten.“ Es gehe schließlich um Menschen, „die in der Bildung arbeiten und die Basis für die Zukunft unserer Kinder und damit für die Zukunft der Bundesrepublik legen“, so Giffey. Die bildungspolitische Sprecherin der Linken-Fraktion im Landtag, Simone Oldenburg, begrüßt den Vorstoß, setzt aber andere Prioritäten: „Zunächst muss die große Ungerechtigkeit beseitigt werden, dass Lehrkräfte an den Grundschulen niedriger bezahlt werden als ihre Kolleginnen und Kollegen an weiterführenden Schulen.“ Danach müsse die Bezahlung der Erzieher in den Kitas angehoben werden. „Sie kann sich durchaus an dem Gehalt einer Lehrkraft orientieren. Wir können nicht hervorragende Fachkräfte für die Kleinsten fordern – und diese wie Hilfskräfte bezahlen.“ Im Schweriner Sozialministerium ist man zurückhaltender: „Wir begrüßen grundsätzlich den Abschluss von verbesserten Vergütungsstrukturen durch die Tarifpartner. Angesichts des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels würde eine höhere Entlohnung den Erzieherberuf deutlich aufwerten“, sagte Staatssekretär Nikolaus Voss. Bei der Qualität der Kindertagesförderung sei MV bereits Vorreiter, meint Voss: „Wir haben im Bundesvergleich den höchsten Anteil an Fachkräften in unseren Kitas.“ Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung müssen Erzieher in MV allerdings gleichzeitig so viele Kinder betreuen wie in keinem anderen Bundesland. Voss verweist auf die neue Ausbildung zum „staatlich anerkannten Erzieher für 0- bis 10-Jährige“, die letztes Jahr eingeführt wurde. Die Auszubildenden arbeiten dabei früh in den Einrichtungen mit und bekommen auch Geld dafür. „Damit haben wir ein zusätzliches attraktives und zukunftsweisendes Angebot geschaffen.“ Mehr als hundert junge Leute haben sich dafür angemeldet. 14 267 Erzieherinnen und Erzieher arbeiteten 2017 in den Kitas in MV. Das waren 9,5 Prozent mehr als 2014. Der überwiegende Teil von ihnen (11617) hat einen fachpädagogischen Abschluss. In den kommunalen Kitas werden Mitarbeiter nach Tarif bezahlt: Das Einstiegsgehalt liegt bei 2578 Euro. Eine erfahrene Leiterin bekommt bis zu 5446 Euro. Kitas in freier Trägerschaft zahlen teils deutlich weniger. Axel Büssem

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