Nach Polizeiskandal: Greifswalderin zieht vor Bundesverfassungsgericht

Rechtswidrige Datenabfragen des Greifswalder Polizeibeamten Dan R. beschäftigen nun das höchste Gericht Deutschlands. Mit einer Verfassungsbeschwerde will Anja Hübner erreichen, dass die strafrechtlichen Ermittlungen gegen den Beamten wiederaufgenommen werden. Sie gehört zu den Betroffenen, deren Daten ohne dienstlichen Grund aus Polizeidatenbanken abgerufen wurden. „Mir geht es dabei nicht um den einzelnen Beamten, sondern um das Verhalten der Staatsanwaltschaften und Behörden, die gegen diese politisch motivierte Tat nicht vernünftig ermittelt haben“, begründet Hübner. Sie wolle ein Zeichen setzen, weil ähnliche Fälle, wie im Zusammenhang mit der Gruppe „Nordkreuz“, ebenfalls nicht konsequent verfolgt worden seien. Das müsse sich ändern. Facebook-Gruppe über Politik führt zu Datenskandal: Was war genau passiert? Anfang 2020 kam heraus, dass der Polizeibeamte Dan R. Daten von Anja Hübner und weiteren Personen rechtswidrig abgerufen und mit hoher Wahrscheinlichkeit weitergegeben hat. Hübner wurde stutzig, als zum Jahreswechsel 2018/19 bis dahin nichtöffentliche Daten zu ihrer Person in einer Facebook-Gruppe auftauchten, in der Personen aus dem linken und rechten Spektrum diskutierten. Darunter die junge Frau, die sich für die Tierschutzpartei engagiert und der Polizist, der auf seinem mittlerweile gelöschten Profil offen mit der AfD sympathisierte. Sie erstattete Strafanzeige. Die Staatsanwaltschaft Stralsund bestätigte zwar die Abfrage ohne dienstlichen Grund, stellte ihre Ermittlungen jedoch ein, weil keine Absicht zur Bereicherung oder Schädigung nachgewiesen werden konnte. Hübners Einspruch bei der Generalstaatsanwaltschaft Rostock und ein Klageerzwingungsverfahren vor dem Oberlandesgericht in Rostock blieben erfolglos. Lesen Sie auch: Extremismusverdacht gegen Neubrandenburger Soldaten Lehrer wegen Nähe zu rechtem Netzwerk „Nordkreuz“ suspendiert Polizeipräsidium kontrolliert mehr: Damit sei eine effektive und ausreichende Ermittlung ausgeblieben, sagt Rechtsanwältin Ronja Ullrich. „Wenn die Verfassungsbeschwerde Erfolg hat, würde der Fall an das Oberlandesgericht zurückgehen, das dann erneut entscheiden müsste. Das Bundesverfassungsgericht sagt, dass eine effektive Ermittlung besonders dann wichtig ist, wenn Amtsträger in ihrer amtlichen Tätigkeit möglicherweise Straftaten begangen haben.“ Die Datenabfragen von Beamten und Angestellten im Bereich des Polizeipräsidiums Neubrandenburg, zu dem Greifswald gehört, werden seit einem halben Jahr stärker kontrolliert. „Dabei finden regelmäßig stichprobenartig Kontrollen zum Abfrageverhalten bei zufällig ausgesuchten Mitarbeitern statt“, informiert Sprecherin Claudia Tupeit auf OZ-Nachfrage. Der Beamte ist bereits Anfang 2019 vom Dienst suspendiert worden. Ob er dauerhaft aus dem Beamtenverhältnis ausscheidet, entscheidet ein noch laufendes Disziplinarverfahren, zu dem sich die Polizei nicht äußern möchte. Von Christopher Gottschalk