Philipp Amthor im OZ-Interview: „Corona führt nicht dazu, dass die Parteiarbeit stillsteht“

Ruhig ist es geworden um Philipp Amthor (27), den Shooting-Star der CDU in MV, der Parteichef werden will, aber durch die Corona-Krise ausgebremst wurde. Im Interview mit der OSTSEE-ZEITUNG nimmt er Stellung zum Rettungsschirm des Bundes, eine Aushebelung von Grundrechten, die angeschlagenen MV Werften und Kritik an Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD). Herr Amthor, der Bundestag hat zu den bereits 156 bewilligten weitere 10 Milliarden für den Corona-Schutzschirm beschlossen. Überfordern wir nicht die Staatskasse und belasten kommende Generationen zu stark? Philipp Amthor: Natürlich sind das ganz außergewöhnliche Ausgaben. Und natürlich ist das auch ein großer Vorgriff auf die Zukunft. Dabei will ich aber dem gelegentlichen Eindruck widersprechen, wir hätten uns von der Schuldenbremse verabschiedet. Das Gegenteil ist der Fall: Wir halten uns auch weiterhin an die Schuldenbremse, nutzen aber jetzt einen darin vorgesehenen zusätzlichen Notmechanismus. Dabei müssen wir aber auch alle zusätzlichen Ausgaben mit einem Tilgungsplan hinterlegen. Eine unbegrenzte Verschuldung auf unbestimmte Zeit ist verfassungsrechtlich nicht möglich, und das ist auch gut so. Gleichzeitig halte ich es aber auch für richtig, jetzt die notwendigen Ausgaben zu tätigen. Das merke ich auch in den Gesprächen mit den Menschen in unserem Land. Wachen wir nicht im nächsten Jahr mit einer riesigen Staatsverschuldung auf? Die Verschuldung wird durch die getroffenen Maßnahmen natürlich steigen. Deshalb haben wir sie aber mit Tilgungsplänen so gestaltet, dass wir sie wieder abtragen können. Ich halte das jedenfalls für eine bessere Alternative als ein späteres Aufwachen mit einer Wirtschaft, in der ganz viele Unternehmen die Krise wegen fehlender Unterstützung nicht überstanden haben. Wo liegt der richtige Weg durch die Krise, um die Infektion zu bremsen? Die Kanzlerin warnt vor eiligen Lockerungen, manche Länder gehen doch zügig voran. Wer hat recht? Es handelt sich bei der Bewältigung dieser Krise nicht um einen Sprint, sondern eher um einen Langstreckenlauf. Dabei erwarten die Menschen in unserem Land, dass wir kein täglich Hin-und-Her mit unabgestimmtem Handeln, sondern einen klaren Fahrplan haben. Die Infektionszahlen müssen sich jedenfalls in einem solchen Rahmen bewegen, dass sie von den Kapazitäten des Gesundheitssystems abgefedert werden können. Wie bewerten Sie die Einschränkung vielleicht sogar Aussetzung von Grundrechten wie die Versammlungsfreiheit? Wie lange lässt sich so etwas durchhalten? Grundrechte kann man auch in der Krise nicht einfach aussetzen, sondern sie binden alle staatliche Gewalt. Das Bundesverfassungsgericht hat dazu eine klare Rechtsprechung – auch in der Corona-Krise: Freiheitseingriffe werden umso unverhältnismäßiger, je länger sie andauern. Deshalb müssen sich die Freiheitsbeschränkungen auch immer wieder aufs Neue rechtfertigen lassen und kritisch hinterfragt werden. Etwa Gottesdienstverbote werden verfassungsrechtlich nicht mehr lange zu halten sein. Ebenso verhält es sich mit den Einschränkungen des Versammlungsrechts. Ein Blick ins Land. MV war bei Restriktionen und Verboten in der Corona-Krise immer weit vorn. Es gibt bald Masken-Pflicht in Bus und Handel, aber die Schulen öffnen wieder. Ein Widerspruch? Das muss kein Widerspruch sein. In Sachen Schule wünschen sich viele jedenfalls ein bundesweit einheitliches Vorgehen, und ich finde die Suche nach Öffnungsperspektiven dabei richtig, jedenfalls für die Abschlussjahrgänge. Eine Maskenpflicht hingegen finde ich nur in solchen Situationen sinnvoll, wo die Abstandsregelungen schlecht eingehalten werden können. Eine gewisse Skepsis gegenüber einem zu weitgehenden Maskenzwang halte ich dabei für berechtigt. Die Frage sorgt in Ihrer Partei für Diskussionen. Einerseits setzen Innen- und Wirtschaftsminister neue Regeln konsequent um, andererseits kritisiert die CDU-Landtagsfraktion, dass Masken im Handel überzogen seien. Ihre Position? Ich würde das nicht als großen Streit etikettieren und kann persönlich ein sehr gutes Miteinander mit allen Beteiligten feststellen. Es ist doch auch in den Zeiten von Corona erlaubt und notwendig, dass im Parlament kritisiert und hinterfragt wird. Ich bin jedenfalls froh, dass wir als CDU eine Landtagsfraktion haben, die auch in Krisenzeiten eine starke eigene Meinung hat. Das tägliche OZ Corona-Update als Newsletter Alle News zum Coronavirus in Mecklenburg-Vorpommern täglich gegen 19 Uhr im E-Mail-Postfach Halten Sie eine pauschale Maskenpflicht im Handel für überzogen? Die für unser Land gefundene Regelung halte ich insgesamt für noch vertretbar. Gegenüber einer zu großen Ausweitung des Zwangs bin ich aber skeptisch. Eine Pflicht macht nur dort wirklich Sinn, wo Abstandsregelungen schlecht eingehalten werden können. In der Krise rückt das Parlament in den Hintergrund, Regierungshandeln nach vorn. Mittlerweile wird Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) vorgeworfen, dass sie das zu stark ausspiele, den Landtag quasi ausboote. Wie sehen Sie das? Gerade in Zeiten der Krise, in Zeiten eingeschränkter Demonstrationsrechte, ist es dringend notwendig, dass Diskussionen im Parlament stattfinden. Eine Haltung, dass der Regierung in der Krise alles erlaubt sei, ist deshalb grundfalsch. Gerade in den Krisenzeiten sind die Kontrolle durch das Parlament und kritisches Begleiten des Regierungshandelns von großer Relevanz. Zur Rolle von Frau Schwesig kann ich nur an einen klugen Satz erinnern, den sie selbst vor einigen Wochen erwähnt hat: Die Zeiten der Krise sollten nicht die Zeiten der persönlichen Profilierung sein. Ob sich das auch alle Beteiligten zu Herzen nehmen, müssen die Bürger bewerten. Der Landtag müsste also aktiver sein? Dafür sind die CDU-Kollegen im Landtag die richtigen Ansprechpartner. Sie lassen sich in meiner Wahrnehmung jedenfalls nicht zum Komparsen degradieren, sondern nehmen selbstbewusst ihre Rechte war. Auch im Bundestag zeigen wir in der Krise ein selbstbewusstes Parlamentsverständnis. Die Parlamente dürfen sich niemals zum Zaungast machen lassen. Die CDU in MV sollte ursprünglich seit einem Monat eine neue Parteispitze haben. Sie sind ein Bewerber. Behindert die offene Machtfrage die Arbeit in der Partei? In der Krise müssen persönliche Ambitionen zurückstehen. Das gilt auch für mich persönlich. Insoweit finde ich es richtig, dass die CDU im Land und im Bund die Vorsitzendenfrage zurückstellt. Niemand hätte dafür Verständnis, wenn wir das anders machen würden. Im Übrigen vertritt derzeit interimsmäßig Eckhardt Rehberg die Partei. Was die Parteiarbeit selbst angeht, bin ich derzeit aber auch digital unterwegs und habe zum Beispiel unmittelbar nach der letzten Bundestagssitzung mit der CDU Mecklenburgische Seenplatte in einer Videokonferenz die Corona-Lage erörtert. Corona muss nicht dazu führen, dass die Parteiarbeit stillsteht. Wie stehen Sie zu weiteren Staatshilfen für die MV Werften? 600 Millionen Liquiditätshilfen sind bis Ende des Jahres im Gespräch. Wir müssen verantwortungsvoll handeln. Die Werften haben im Land eine strukturelle Relevanz. Deswegen müssen wir zu einer Lösung kommen, die auch eine Nachhaltigkeit jenseits der Krise hat. Was bedeutet das? Sind Sie für diese 600 Millionen Euro, ob als Bürgschaft oder Kredit, oder nicht? Es geht mit Zulieferern um 20 000 Arbeitsplätze – um rund 50 000 Wähler. Diese Zahlen unterstreichen die von mir erwähnte Strukturrelevanz, aber es geht in diesem Fall nicht um Wählerstimmen, sondern um Existenzen. Diese müssen gesichert werden. Wie genau eine Unterstützung ausgestaltet wird, obliegt jetzt den laufenden Verhandlungen zwischen Landes- und Bundesregierung. Das Ergebnis muss dabei klar sein: Wir dürfen die MV Werften nicht in die Perspektivlosigkeit schicken. Lesen Sie auch: Amthor für Öffnung von Gottesdiensten trotz Corona New Yorker Firma vor Gericht: Das hat Philipp Amthor damit zu tun OZ-Interview mit Philipp Amthor: Rot-Rot-Grün ist eine reale Gefahr Von Frank Pubantz