So bewerten Politiker aus MV die Ergebnisse der Hamburg-Wahl

Triumph trotz Verlusten: SPD und Grüne haben in Hamburg einen klaren Wahlsieg eingefahren und können damit die letzte rot-grüne Koalition in Bund und Ländern fortsetzen. Bei der Bürgerschaftswahl in dem Stadtstaat landete die SPD von Bürgermeister Peter Tschentscher weit vor dem grünen Regierungspartner. Die CDU rutschte auf ihr bundesweit schlechtestes Ergebnis bei Landtagswahlen seit knapp 70 Jahren. Für Unklarheiten sorgen derzeit noch die widersprüchlichen Ergebnisse unterschiedlicher Hochrechnungen. Einen Dämpfer gab es zunächst für die AfD, die nach ersten Hochrechnungen der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender nicht mehr im Parlament ist, es allerdings nach Zahlen von NTV doch über die 5-Prozent-Hürde schafft. Auch die FDP verlor und muss bis in die Nacht um den Einzug in die Bürgerschaft bangen. Ministerpräsidentin Schwesig: Rückenwind für SPD in MV: Politiker in MV sehen im Hamburger Ergebnis auch Signale für Mecklenburg-Vorpommern und die Landtagswahl 2021 im Nordosten. „Das Wahlergebnis bedeutet politischen Rückenwind für uns im Norden“, sagte Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD). Die Hamburger SPD habe mit „wirtschaftlicher Stärke, sozialer Gerechtigkeit und ökologischer Verantwortung“ Erfolg gehabt. Mit diesen Schwerpunkten könne man auch in MV Wahlen gewinnen. Schwesig freute sich zudem über das schlechte Ergebnis der AfD: „Spalter und Hetzer wurden auf ihre Ränge verwiesen.“ CDU-Interims-Landeschef Rehberg: Ergebnis in Hamburg enttäuschend: Auch CDU-Interims-Landeschef Eckhard Rehberg sagte, das Abrutschen der AfD in Hamburg mache Mut, dass dies auch in MV möglich sei: „Das ist eine wichtiges Zeichen. Wir werden dafür arbeiten, dass es eine Fortsetzung der Koalition von CDU und SPD mit stabiler Mehrheit - eventuell auch mit den Grünen – geben kann. Das CDU-Ergebnis in Hamburg sei enttäuschend, allerdings kein Zeichen für die MV-Wahl in anderthalb Jahren: „Da hat das Verhalten der CDU in Thüringen eine Rolle gespielt und dass die CDU im Hamburger Stadt-Milieu nicht punkten konnte.“ Grüne MV: Für Politikwechsel in Schwerin kämpfen: Zufrieden mit dem historisch besten Resultat der Grünen in Hamburg zeigte sich Mecklenburg-Vorpommerns Grünen-Landeschefin Claudia Schulz. Das „großartige Wahlergebnis“ habe nicht nur den „Kurs der Grünen bestätigt und ihre Arbeit belohnt“, sondern auch ihre Position gegenüber der SPD gestärkt. Das Hamburger Ergebnis sei zugleich „auch ein Signal für die Grünen in MV, für einen Politikwechsel in Schwerin zu kämpfen.“ Linken-Landeschef Koplin: Partei der sozialen Gerechtigkeit: Linken-Landeschef Torsten Koplin freut sich vor allem über den absoluten Stimmen-Zugewinn: Die Linke in Hamburg habe sich - Stichwort Mieten und Mobilität - als Partei der sozialen Gerechtigkeit bewährt. Zudem habe sich „die direkte Ansprache an den Wähler im Wahlkampf ausgezahlt“. CDU und FDP hätten „die Quittung für den Tabubruch in Thüringen erhalten“. FDP: Klare Abgrenzung zur AfD: Der FDP gehe es nach Thüringen um „Sacharbeit und das Zurückgewinnen von Vertrauen“, sagt der Landeschef der Liberalen, René Domke. Das Hamburger Resultat sei nun sicher eine Quittung für die Ministerpräsidentenwahl in Erfurt. „Für 2021 in Mecklenburg-Vorpommern ziehen wir die Schlussfolgerung, dass eine klare Abgrenzung zur AfD bleiben wird. Für die FDP wird es weder einen Rechtsruck noch einen Linksruck geben.“ AfD-Landessprecher Holm: Sehr schwaches Ergebnis: Mecklenburg-Vorpommerns AfD-Landessprecher Leif-Erik Holm nannte das Ergebnis seiner Partei in Hamburg „sehr schwach“ und „nicht zufriedenstellend“, Hamburg sei ein schwieriges Umfeld. Zudem habe wohl der „perfide Versuch“, die Ereignisse in Hanau zu instrumentalisieren, bei einigen Wählern verfangen. Auswirkungen auf die Arbeit der AfD in MV habe das Ergebnis eher nicht: „Im Osten sind wir auf dem Weg zur Volkspartei.“ SPD erreicht wieder klar Platz eins: Nach den ersten Hochrechnungen für Hamburg rutschte die SPD zwar ab, erreichte mit 37,5 bis 38 Prozent aber wieder klar Platz eins (2015: 45,6) - Werte, die sie sonst in keinem anderen Bundesland erreicht wurden. Die Grünen mit ihrer Spitzenkandidatin Katharina Fegebank verdoppelten zwar ihr Ergebnis annähernd auf 25,5 Prozent (12,3), lagen jedoch weiter hinter den Sozialdemokraten, als zu Beginn des Wahlkampfs erwartet. Die in Hamburg oppositionelle CDU sackte noch einmal ab auf 11,5 Prozent (15,9). Die Linke stagnierte bei 9 bis 9,5 Prozent (8,5). Die FDP und überraschend auch die AfD verloren. Die AfD lag in den Prognosen nur zwischen 4,7 und 4,8 Prozent (6,1) und wäre damit möglicherweise nicht in der Bürgerschaft. 2015 hatte sie mit Hamburg ihr erstes Parlament in den alten Bundesländern erobert. Die FDP lag bei 5 Prozent (7,4) und musste am Abend zittern, ob sie es wieder in die Hamburger Bürgerschaft schafft. 121 Sitze zu vergeben: Das Landesparlament hat regulär 121 Sitze. Die Zahl kann durch Überhang- und Ausgleichsmandate sowie erfolgreiche Einzelbewerber steigen. Die Prognosen ergaben folgende Sitzverteilung: SPD 51 (2015: 58), Grüne 35 (15), CDU 15 bis 16 (20), Linke 12 bis 13 (11) und FDP 7 (9). Fortsetzung der rot-grünen Koalition wahrscheinlich: Die wahrscheinlichste Regierungsvariante ist die Fortsetzung der seit 2015 bestehenden rot-grünen Koalition - sowohl Tschentscher als auch seine bisherige Stellvertreterin Fegebank hatten dies als naheliegend bezeichnet. Im Wahlkampf hatte die SPD in der Wirtschaftsmetropole stark versucht, sich vom negativen Trend der Bundespartei abzukoppeln. Die beiden neuen Parteivorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans waren nicht zu Auftritten eingeladen. Gleichwohl verschafft das Hamburger Ergebnis dem Duo, das alle Aufmerksamkeit auf die Lage der CDU zu lenken versucht, etwas Erleichterung. CDU und FDP seit Regierungskrise in Thüringen unter Druck: Christdemokraten und FDP stehen seit der Regierungskrise in Thüringen stark unter Druck. Beiden Parteien könnte die dortige Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich mit Stimmen von CDU und AfD geschadet haben. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer hatte in Folge der Erfurter Krise vor wenigen Tagen ihren Rückzug angekündigt. Das historisch schlechte Ergebnis des Hamburger Landesverbands dürfte in seinen Auswirkungen auf die Bundespolitik dennoch begrenzt sein. Tschentscher setzte auf Thema Klimaschutz: Tschentscher hatte im Wahlkampf massiv das Thema Klimaschutz besetzt, das traditionell eher mit den Grünen verbunden wird: „Grüner wird's nicht“ war einer seiner Slogans. Daneben bestimmten lange die Themen Mieten und Verkehr den Wahlkampf. Auf den letzten Metern schlug eine eigentlich alte Geschichte hohe Wellen. Medien hatten über angeblich nicht eingeforderte Steuerrückforderungen gegenüber der im „Cum-Ex“-Skandal unter Verdacht stehenden Warburg-Bank berichtet. Bürgermeister Tschentscher wies den Vorwurf der politischen Einflussnahme zurück. Mehrere Wahlkampfabschlussveranstaltungen nach Anschlag von Hanau abgesagt: Mehrere Parteien sagten ihre Wahlkampfabschlussveranstaltungen nach dem Anschlag von Hanau am Mittwochabend ab. In der Nacht zu Montag sollte zunächst nur ein Ergebnis für die voraussichtliche Verteilung der 121 Sitze auf die Parteien bekanntgegeben werden. Wie sich die Stimmen auf die einzelnen Listenkandidaten verteilen, ergibt sich erst bei einer Fortsetzung der Auszählung am Montag. Von Alexander Loew und Thomas Luczak