Fred Tribanek weiß genau, was er am Mittwochvormittag zu seiner Frau sagen wird: „Das Selbe wie immer: ,Mach’s gut, Schatz. Bis heute Abend.’“ Dass sie dennoch Angst haben wird, weiß er. Und auch für den 61-Jährigen wird der Mittwoch kein Tag wie jeder andere. Tribanek ist Bombenentschärfer, arbeitet seit 36 Jahren für den Munitionsbergungsdienst im Land. Er wird die 250-Kilo-Fliegerbombe entschärfen. Zusammen mit einem Kollegen. Und selbst dem erfahrenen Kampfmittelräumer flößt der Sprengkörper noch Respekt ein: „Ein bisschen kribbelig wird mir beim Entschärfen mit Sicherheit.“
Sprengmeister seit mehr als 20 Jahren
Sprengmeister – so lautet Tribaneks Berufsbezeichnung. Seit 1995 hat er diesen Titel. „Mit Munitionsresten oder Granaten haben wir fast täglich zu tun. Aber ein solche Bombe ist schon was anderes.“ Der große, schlanke Mann mit dem Pferdeschwanz und graumelierten Haaren wirkt so, als ob ihn rein gar nichts aus der Ruhe bringen könnte. Und das ist auch so: „Wir wissen genau, was wir morgen zu tun haben. Wir kennen die Bombe, wir kennen auch ihre Tücken“, sagt Tribanek. Die Bombe sei einer der am häufigsten eingesetzten Typen des Weltkrieges. Daher werde er in der Nacht zum Mittwoch mit Sicherheit auch gut und ruhig schlafen.
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Zwei Zünder müssen die Fachleute ausbauen, damit von der amerikanischen Bombe keine Gefahr mehr ausgehen kann. „Das Gute ist: Die Zünder lösen nicht einfach so aus.“ Tribanek spricht von einer normalen Entschärfung, von „Routine“. Und es klingt noch cooler, wenn er sagt, was er zum Entschärfen alles braucht: „Ich gehe mal davon aus, dass ich nur eine Rohrzange brauche – und meine Handschuhe.“ Den Zünder an der Front – der werde sich vermutlich ganz einfach rausdrehen lassen. Nach OZ-Informationen handelt es sich um eine US-Fliegerbombe des Typs GP 500 lb.
Ausbausperre am Heck?
Tückischer könnte bei diesem Modell der Zünder am Heck sein. Denn der ist mit einer „Ausbausperre“ versehen: „Den können wir nicht einfach rausdrehen. Der ist noch mit einer Kappe versehen.“ Und die muss erst fixiert werden. „Dafür bohren wir den Zünder an, sichern die Kappe mit einer Schraube.“ Solange es keinen starken Regen gibt, sei das bei jedem Wetter möglich. „Bei Regen läuft uns das Loch voll“, so Tribanek. Es klingt alles so einfach und so ungefährlich, wenn er das sagt.
Worauf er sich schon freut, das ist die Ruhe bei der Arbeit: „Nur Vogelgezwitscher. Keine Autos, kein Lärm. Das begleitet uns bei jeder Entschärfung.“ Aber wer könne schon von sich behaupten, in absoluter Ruhe in der Rostocker Innenstadt gearbeitet zu haben?
Auf alles vorbereitet
Tribanek und seine Kollegen gehen davon aus, dass sie nur wenige Minuten brauchen, um dem Spuk aus der Vergangenheit ein Ende zu setzen. Und wenn nicht, dann sind sie auf alles vorbereitet: Die Bombe liegt in knapp drei Metern Tiefe im Erdreich. Bis zur Entschärfung wird sie von Polizisten bewacht. Am Dienstag ließen die Fachleute des Munitionsbergungsdienstes bereits Sandwälle rund um das Loch mit dem Sprengkörper aufschütten. Rund um dieses Loch wurden so genannte „Big Packs“ gefüllt mit Sand gestapelt. „Wenn wir doch sprengen müssen oder die Bombe hoch geht, dann leiten wir die Druckwelle und Splitter nach oben ab“, erklärt Tribanek.
Kommen er und sein „Assistent“ mit Zange und Handschuhen nicht weiter, steht eine Wasserstrahlgerät bereit. Damit wird die Bombe vor Ort zerlegt. „Danach kommen Reste zur Entsorgung nach Mellenthin auf der Insel Usedom“, so Tribanek. Weitere Evakuierungen müsse Rostock nicht befürchten: Das Gelände am Rosengarten, auf dem Rostocker Genossenschaften 155 neue Wohnungen in bester Innenstadtlage bauen wollen, sei komplett abgesucht worden. „Keine weitere Funde.“
Bis 3000 Tonnen Bomben und Brandsätze haben britische und amerikanische Bomber im Zweiten Weltkrieg über Rostock abgeworfen. „10 bis 20 Prozent waren Blindgänger“, so Fachmann Tribanek. „In den vergangenen zehn Jahren haben wir vielleicht zehn davon entschärft.“ Es dürften also noch Hunderte im Rostocker Erdreich liegen. Bis Tribanek und seine Kollegen sie finden und unschädlich machen. In aller Ruhe.
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Andreas Meyer