Schlusslicht: Warum MV bei der Impfung von Senioren so langsam ist

Bei Senioren über 80 Jahren gehört die Impfeinladung zu den wohl am heißesten ersehnten Schreiben in der Hauspost. Doch viele von ihnen müssen sich noch gedulden. Während in Mecklenburg-Vorpommern die Quote der vollständig Geimpften mit 64,2 Prozent bei den Pflegeheimbewohnern noch im oberen Drittel bundesweit liegt, belege MV bei den vollständig Geimpften über 80-Jährigen mit 3,6 Prozent inzwischen den letzten Platz, beklagt der Hausärzteverband in Mecklenburg-Vorpommern. Das Callcenter, das die Termine für die Impfungen für Menschen dieser Altersgruppe nach alphabetischer Reihenfolge des Nachnamens vergibt, ist aktuell beim Buchstaben K angekommen. Noch zum Start der Impfaktionen Ende Dezember hatte Gesundheitsminister Harry Glawe (CDU) die Hoffnung geäußert, dass bis Ende März alle Senioren dieser Altersgruppe geimpft sein würden. OZ-Impfrechner: Wann sind Sie mit Ihrer Impfung dran? Machen Sie jetzt den Test Einen Termin will das Ministerium aufgrund der Engpässe bei den Impfstoffen von Biontech/Pfizer und Moderna nun nicht mehr nennen. Der Impfstoff von Astrazeneca ist für Senioren nicht zugelassen. Im Nachbarland Schleswig-Holstein sollen nach Angaben des dortigen Gesundheitsministeriums von Mittwoch alle Senioren ab 80 Jahren bis Ende Februar ein Impfangebot erhalten. Andere Schwerpunkte in MV: Pflegeheime haben Priorität: Während in Thüringen mit einer leicht höheren Bevölkerungszahl von 2,1 Millionen Einwohnern laut RKI-Impfstatistik bereits knapp 53 000 Senioren, die außerhalb von Pflegeheimen leben und bei denen keine zusätzliche medizinische Indikation vorliegt, eine Erstimpfung erhielten, bekamen in Mecklenburg-Vorpommern rund 19 500 Senioren aus dieser Gruppe ihren ersten Piks. Das Ministerium begründet dies mit der Schwerpunktsetzung. „Uns war es wichtig, zunächst die Bewohnerinnen und Bewohner in den Alten- und Pflegeheimen zu impfen“, sagte Gesundheitsminister Harry Glawe (CDU). In 248 von 256 vollstationären Einrichtungen wurden hierzulande inzwischen die Erstimpfungen durchgeführt. Das entspricht einem Wert von 97 Prozent. In vier von fünf Einrichtungen sind zudem die Zweitimpfungen abgeschlossen. Glawe: „Wenn wir mehr Impfstoff erhalten, kann das Land auch schneller in die Breite gehen.“ Ambulanter Pflegedienst: „Das ist sehr belastend für uns“: Betroffen von den Verzögerungen sind nicht nur über 80-Jährige, die noch vollkommen selbstständig ihr Leben meistern, sondern auch solche, die von ambulanten Pflegediensten betreut werden. „Wir erhalten tagtäglich Anrufe von unseren Patienten, die fragen, wann sie denn endlich geimpft werden“, sagte Holger Preusche vom gleichnamigen Pflegedienst aus Zinnowitz. Sein Pflegedienst war bereits Anfang Januar vom Ministerium aufgefordert worden, alle Patienten über 80 Jahre und die Mitarbeiter des Pflegedienstes für eine Impfung anzumelden. „Wir haben einen Riesenaufwand betrieben, um alle Daten unserer Patienten zügig zusammenzutragen.“ Mit der Aufforderung seien natürlich auch Erwartungshaltungen geweckt worden. Am Dienstag habe der Pflegedienst dann über die Hotline des Ministeriums die Auskunft erhalten, dass es derzeit keine Impftermine gebe, weil keine Impfdosen zur Verfügung stünden. „Das ist sehr belastend für uns.“ Nach Angaben des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste (BPA) stellt sich die Situation in den Landkreisen unterschiedlich dar. Es gebe durchaus ambulante Pflegedienste, bei denen die Impfung durch mobile Teams bereits abgeschlossen sei, sagte Landesgeschäftsführer Sven Wolfgram. „Das Problem ist der fehlende Impfstoff.“ Hausärzteverband: MV verspielt gelungenen Impfstart: Wie viele Senioren aus der Prioritätsgruppe 1 noch nicht geimpft sind, kann das Ministerium nicht benennen. Stefan Zutz, Vorsitzender des Hausärzteverbandes Mecklenburg-Vorpommern, sagte, dass es wenig vertrauensbildend sei, die Prioritätenliste der Ständigen Impfkommission immer wieder neu zu interpretieren und neuen Berufsgruppen Rechnung zu tragen. Die Hausärzte fordern, die Impfungen gegen Covid-19 in den Arztpraxen zügig zu ermöglichen. Ansonsten würde der gelungene Impfstart in Mecklenburg-Vorpommern „verspielt“. Lesen Sie auch Kerth nach Impf-Geständnis unter Druck: „Muss Konsequenzen haben“ Grundschullehrer und Erzieher in MV können früher geimpft werden Bund und Länder hatten sich darauf geeinigt, mit Blick auf die Schulöffnungen Lehrer und Erzieher vorrangig zu impfen. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums gehören Lehrer an Grundschulen und Erzieher zur Prioritätsgruppe 2. Auch durch die eingeschränkte Verfügbarkeit des Astrazeneca-Impfstoffes für unter 65-Jährige habe die Einstufung von Lehrern und Erziehern keine Auswirkungen auf die über 80-Jährigen, hieß es aus dem Schweriner Gesundheitsministerium. „Noch nicht mehr Freiheit, aber mehr Sicherheit“: Der Stralsunder Norbert Kahlfuss erhielt am Dienstag das Schreiben mit der Aufforderung, einen Impftermin zu vereinbaren. Er habe sich gewundert, dass er sofort beim Callcenter durchgekommen sei und einen Impftermin für Donnerstag erhalten habe, sagte er. Die Impfung verschaffe ihm zwar noch nicht mehr Freiheiten. Aber sie bringe ein großes Maß an Sicherheit mit sich. „Es kann immer mal passieren, dass ich unbeabsichtigt in ein Gedränge komme“, so der 80-Jährige. Mit der Impfung müsse er sich keine Sorgen machen, dass er sich dabei infiziere. Von Martina Rathke