Schulstart in MV mit Corona-Risiko: Angst vor vollen Schulbussen

Die Angst fährt mit, wenn ab Montag Zehntausende Kinder zum Schulstart in MV in teils rappelvollen Bussen zur Schule fahren. Das Bildungsministerium hat zwar geregelt, dass sich Schüler unterschiedlicher Klassenstufen auf dem Schulgelände nicht treffen dürfen, um die Zahl möglicher Corona-Infektionen gering zu halten. Auf dem Weg zur Schule werden die Kinder aber weiterhin im Bus zusammengepfercht, alle sollen Schutzmasken tragen. Kritiker bezweifeln, dass das auch überall klappt, wodurch Ansteckungsketten nicht nachvollzogen werden können. Landkreise und kreisfreie Städte erklären: Für mehr Busse und Personal zur Kontrolle gebe es keine Kapazitäten. Schüler und Eltern warnen vor Gefahren in vollen Bussen: Der Landesschülerrat fordert mehr Busse. „Vollgepackte Schulbusse sind für die meisten Schüler Alltag“, sagt Vorsitzender Jakob Liebich. „Kleine Gruppen in der Schule bringen wenig, wenn danach alle Schüler im Bus auf engem Raum hocken.“ Eine Sorge, die Kay Czerwinski, Kopf des Landeselternrates, teilt. Er halte eine Aufstockung von Bussen und Personal für dringend erforderlich. „Dies wäre ein wichtiges Zeichen, um eine mögliche zweite, stärkere Corona-Welle abzufedern.“ Mehr lesen: Schulstart mit Hindernissen: So soll es ab Montag trotz Corona in MV wieder losgehen Die Angst scheint berechtigt, denn fast nirgendwo im Land haben trotz Corona-Risiko Verantwortliche mehr Platz für die zu befördernden Kinder eingeplant, obwohl die Schülerzahl MV-weit auf über 150 000 steigt, wie diese Umfrage der OSTSEE-ZEITUNG bei Landkreisen, kreisfreien Städten und Verkehrsunternehmen zeigt. Eine Kostenfrage: Zuständig für Schülerverkehr ist die kommunale Ebene, das Land zahlt Zuschüsse. Seit Jahren streiten beide Seiten über höhere Finanzausstattung. Verkehrsunternehmen setzen auf die Vernunft der Kinder: Das hilft den Schülern ab Montag nicht. „Es gibt keine Kapazitäten für mehr Busse und Personal“, sagt Jan Bleis vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmen in MV. Er räumt ein: „In Spitzenzeiten kann es voll werden.“ Der Mund-Nasen-Schutz solle dann die Kinder vor einer Corona-Ansteckung schützen, den jedes müsse einen tragen. Lesen Sie auch: Umarmungen, Pausenbrote, Desinfektion: Expertentipps zum Schulanfang in MV Bleis ist auch Vorstand der Rostocker Straßenbahn AG (RSAG). In der größten Stadt des Landes bleibe die Zahl der Busse und Bahnen gleich. Da alle Türen geöffnet werden, könne der Fahrer die Maskenpflicht gar nicht überwachen. Kontrollen seien „nicht leistbar“. In Notfällen könnte die RSAG Busse von Subunternehmen dazubuchen. Einige Landkreise berichten, dass Busfahrer die Kinder nur vorn einsteigen lassen, um die Masken im Auge zu haben. Überlegungen zu mehr Bus-Kapazität hat es landesweit gegeben. Vor Monaten ließ Bildungsministerin Bettina Martin (SPD) nach OZ-Informationen bei Verkehrsunternehmen anfragen, ob bei zeitlich gestaffeltem Unterricht in der Schule mehr Busse zum Einsatz kommen könnten. Die Antworten sollen ernüchternd ausgefallen sein. Kein Geld, kein Personal, keine Fahrzeuge. Auch interessant: Zu wenig Plätze, zu wenig Lehrer: Kritik am MV-Programm für Ferien-Schwimmkurse Jetzt gibt sich die Ministerin zuversichtlich, dass die Eigenverantwortung von Eltern und Kindern für eine Einhaltung der Maskenpflicht in Bussen sorgt. Für den Schülerverkehr verantwortlich seien letztlich „die Kommunen“, so Martin. Das sieht Kay Czerwinski, Landeselternrat, sehr kritisch: „Es ist nicht gut, wenn sich beide Seiten den Schwarzen Peter zuschieben.“ Lehrergewerkschaft fordert Begleitung in den Bussen: Nachbesserung sei zwingend erforderlich, sagt Maik Walm, Vorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft MV, der sich auch um die Gesundheit von Lehrern sorgt. „Volle Schulbusse, in denen die Maskenpflicht von niemandem durchgesetzt wird, erhöhen die Anzahl der undokumentierten Risikokontakte und damit das Infektionsrisiko auch für die Lehrkräfte“, so Walm. Sein Lösungsvorschlag: Land und Kreise müssten für eine Begleitung und Dokumentation der Fahrten sorgen. „Eine Busbegleitung müsste dafür Sorge tragen, dass die Maskenpflicht durchgehend eingehalten wird.“ Lesen Sie auch: Kommentar Der Politik in MV fehlt es an Willen und Plan Das ist in Plänen des Bildungsministeriums bisher nicht vorgesehen. Czerwinski spricht einen weiteren Schwachpunkt an: Zugesichert sind täglich vier Stunden Unterricht in der Grundschule, fünf darüber; jede Schule dürfte das anders lösen. Die Schulbusse fahren oft viel später zurück. Folge: Zuvor getrennte Kinder träfen sich dann für längere Zeit vor dem Gebäude oder woanders. Czerwinski: „Wir machen uns große Sorgen.“ Von Frank Pubantz