"Sojus"-Affäre in Vorpommern-Greifswald: Ermittlungen gegen Michael Sack?

Ein Streit im Kreis Vorpommern-Greifswald erreicht den Innenminister: Torsten Renz soll gegen Landrat Michael Sack, seinen eigenen CDU-Landeschef, ein Disziplinarverfahren wegen „schwerwiegenden und vorsätzlichen Fehlverhaltens“ einleiten. So fordert es der frühere Sozialdezernent des Landkreises, Dirk Scheer (parteilos), über seinen Anwalt. Auslöser ist eine Affäre um eine Online-Plattform, die Scheer für Jugendarbeit erstellen ließ. Wegen angeblich dubioser Umstände ließ Sack 2019 Anzeige erstatten; die Staatsanwaltschaft stellte die Ermittlungen nun aber ein. Ist dies hier mehr als ein Streit unter Männern, die 2018 beide Landrat werden wollten? Da war Scheer Sacks Kontrahent. Sack: Hinweise schon vor seiner Amtszeit: Die Fakten: Scheer gab vor Jahren Aufträge für die Online-Plattform „Sojus“ raus, die Jugendamt und Träger der Jugendarbeit für eine bessere Zusammenarbeit vernetzen sollte. Zwischen 2015 und 2017 seien elf Verträge für das Projekt vergeben und mit derselben Firma geschlossen worden – in Summe über 733 000 Euro. „Mit erheblichen“ oder gar „schwerwiegenden Mängeln“, monierte der Landesrechnungshof 2019. Da hatte Sack, Landrat seit Oktober 2018, längst zweimal Anzeige gegen Scheer erstatten lassen. Weil er es musste, wie der Landrat heute beteuert. Unterlagen fehlten, diverse Verstöße seien festgestellt worden. Das Rechtsamt habe anhand einer Verwaltungsvorschrift für Korruptionsverdacht mehrere „Verdachtsmomente“ ausgemacht. Vorwurf: Untreue und Vorteilsnahme. Schon vor seiner Amtszeit habe es im Zuge einer Innenrevision Untersuchungen gegeben. Scheer bestreitet die Vorwürfe: Scheer bestreit die Vorwürfe und erzählt eine andere Geschichte. Von einer Online-Plattform als Vorzeigeprojekt, für das es den Segen des Landes und Preise gegeben habe. Von jeder Menge „Lügen“ im Nachhinein. Anfang 2020 wurde er als Sozialdezernent nicht wiedergewählt. Viele Fragezeichen bleiben. Die Staatsanwaltschaft hatte Scheers Haus und Büro 2019 durchsucht. Jetzt teilte sie mit, es habe zu diversen Vorwürfen gar keinen Anfangsverdacht gegeben. Durchsuchung ohne Verdacht? Oberstaatsanwalt Martin Cloppenburg erklärt auf OZ-Nachfrage: Nach einer zweiten Anzeige habe dafür „hinreichender Tatverdacht“ bestanden. Mehr zum Thema: Landrat Sack gegen Ex-Senator Scheer: Warum sich die Betrugsvorwürfe in Luft auflösen Brücken in Gefahr und Luxus-Wasser als Flop: Das prangert der Rechnungshof in MV an Beendet ist der Vorgang damit noch lange nicht. Denn neben dem Strafverfahren gibt es eines zum Disziplinarrecht gegen Scheer, anhängig im Innenministerium von Torsten Renz (CDU). Scheer fordert, dieses Verfahren nun unverzüglich einzustellen. Im Gegenzug solle eines gegen Sack eröffnet werden. „Der Mann will Ministerpräsident werden“, sagt Scheer. Renz bringt das in eine Zwickmühle, ist er doch Minister von Sacks Gnaden. Offiziell wisse man noch nichts von der Einstellung der staatsanwaltlichen Ermittlungen, lässt Renz eine Sprecherin ausrichten. So lange ruhe das Disziplinarverfahren. „Inhaltliche Auskünfte“ dazu würden nicht erteilt. Ob nun gegen Sack ein Verfahren eröffnet wird? Antwort aus dem Ministerium: Es seien „keinerlei Dienstvergehen bekannt, die dies rechtfertigen würden“. Von Frank Pubantz