Stärkere Polizeikontrollen an deutsch-polnischer Grenze: "Das nervt"

Benedikt Roketta rollt mit seinem silbergrauen Mercedes auf den Beamten am Grenzübergang Ahlbeck zu. Schnell zieht er sich die FFP-2-Maske über Mund und Nase, dann reicht er zitternd seine Papiere aus dem Fahrzeugfenster. „Vorgestern hatte ich große Probleme, nach Deutschland zu kommen“, beschreibt der 66-Jährige den Grund seiner Aufregung. Der Deutsche, der auf der polnischen Seite der Insel Usedom wohnt und regelmäßig zu Arztterminen auf die deutsche Seite pendelt, durfte die Grenze zuerst nicht passieren. Ob ihm ein gültiger Corona-Test fehlte oder es andere Gründe gab, will er nicht verraten. „Es wird viel stärker kontrolliert“: Weil Vorpommern-Greifswald unter Landrat Michael Sack (CDU) die Corona-Infektionszahlen nicht nachhaltig in den Griff bekommt, unterstützt seit Dienstag Innenminister Torsten Renz (ebenfalls CDU) den Kreis mit verstärkten Polizeikontrollen an der Grenze. Roketta und alle Grenzpendler bekommen das nun zu spüren. Mal schnell nach Deutschland ohne aktuellen negativen Corona-Test rüberzurollen, um eine Überweisung vom Arzt zu holen oder ein Rezept einzulösen, das geht nicht mehr. „Es wird viel stärker kontrolliert“, sagt Roketta. „Das nervt.“ Vier Polizeiwagen am Grenzübergang Ahlbeck: Das Polizeiaufgebot ist bereits von weitem sichtbar und erinnert an Zeiten, als Polen noch nicht zum Schengen-Raum gehörte. Vier Transportwagen mit zehn Beamten stehen auf der deutschen Seite der Grenze. Zwei Polizeiwagen haben sich demonstrativ auf der Straße postiert. Wer dort vorbeiwill, muss stoppen und – wie Roketta – Ausweis, gültigen Corona-Test und Fahrzeugpapiere vorweisen. „Oder er wendet und fährt zurück“, sagt ein Beamter. Noch mal billig in Polen Zigaretten kaufen, tanken oder zum Friseur zu fahren, ohne eine Meldung ans zuständige Gesundheitsamt zu riskieren, wird inzwischen schwierig. Offiziell hält sich Polizei mit Zahlen zu den zusätzlichen Einsatzkräften zurück. Aber ein Beamter sagt, dass man seit Dienstag deutlich mehr Präsenz an der Grenze zeige. Pole klagt gegen das Land: Land soll Tests bezahlen: Grenzpendler gelten als einer der wesentlichen Gründe, warum Vorpommern-Greifswald mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von über 200 bei den Infektionszahlen deutlich über den anderen Landesteilen von MV liegt. In der polnischen Nachbarregion Westpommern sind die Zahlen ähnlich hoch. Berufspendler müssen alle vier Tage einen aktuellen Corona-Test vorlegen. Und das kostet. Der Rechtsanwalt Rafal Malujda aus Löcknitz fordert deshalb, dass das Land die Kosten von 35 Euro je Test übernimmt und klagt vor dem Oberverwaltungsgericht Greifswald. Er argumentiert: Wer die Regelung erlässt, muss die Kosten tragen. Mehr Fahrzeuge kontrolliert, mehr Grenzpendler belehrt: Wurden am Montag, als die verschärften Kontrollen noch nicht galten, 290 Fahrzeuge bei der Ein- und Ausreise an der deutsch-polnischen Grenze entlang des Kreises kontrolliert, waren es am Dienstag bereits 362. 34 Grenzpendler verzichteten nach einer Belehrung auf die Ein- und Ausreise, am Montag waren es 19. Ordnungswidrigkeiten wurden nicht festgestellt. In zwei Fällen wurden Einreisende dem zuständigen Gesundheitsamt gemeldet. Sie müssen nun in Quarantäne. Lesen Sie auch Vorpommern-Greifswald: Diese schärferen Corona-Regeln gelten jetzt Corona-Hotspot im Osten: Warum MV die Grenze nicht schließen sollte Debatte um Corona-Krisenmanagement in Vorpommern-Greifswald Noch will die Polizei die Wirkung, die von der erhöhten Präsenz an der Grenze ausgeht, nicht bewerten. „Aus den Zahlen ableiten zu können, dass der höhere Kontrolldruck wirkt, ist zu früh“, sagt Katrin Kleedehn, Sprecherin der Polizeiinspektion Anklam. „Man kommt auch ohne Tests nach Deutschland“: Von der polnischen Seite rollt ein Auto mit polnischem Kennzeichen heran. Ein junger Mann steigt aus und läuft vorsichtig bis an den deutschen Grenzpfosten. Ob er den Landkreis durchqueren dürfe, wenn er seine Tochter vom Flughafen in Berlin abholt, fragt Tomasz Leszczynski einen deutschen Beamten. Einen gültigen negativen Corona-Test habe er. Aber er habe gehört, dass der Kreis eine Einreise untersagt habe und wolle nun sichergehen, um kein Bußgeld zu riskieren. Die Kontrollen auf der deutschen Seite findet Leszczynski überzogen. „Ich verstehe nicht, warum Deutschland hier so scharf kontrolliert.“ Wer ohne Test auf die deutsche Seite wolle, komme trotzdem rüber. Und wo? „Am Übergang Slubice-Frankfurt/Oder. Da wird nicht kontrolliert.“ Von Martina Rathke