Ob fürs Auge, für die Ohren oder den Geschmack: Die Einzelhändler in den Innenstädten Mecklenburg-Vorpommerns werben mit allen Sinneseindrücken um die Kunden. Knallige Aktionsschilder locken mit Prozenten in Bekleidungsgeschäften, in Supermärkten wird in eigenen Radiosendern zwischen Musikblöcken das aktuelle Angebot beworben und auch in Parfümerien oder Friseuren bekommt man auch mal ein Glas Sekt zur Beratung gereicht.
Gerüche rufen schnell Erinnerungen hervor
Um da aus der Masse hervorzustechen, setzen Geschäfte neuerdings auf die feinen Nasen der Konsumenten. Eine Bank in Bergen auf Rügen versucht beispielsweise, ihre Kunden mit dem Geruch des Geldes länger in der Filiale zu halten. Auch andere große Marken, wie Autohersteller BMW oder Mercedes, sowie Modelabel „Abercrombie & Fitch“ parfümieren ihre Produkte oder Filialen.
Meistens gleich am Eingang der Geschäfte riecht es erst einmal gut: Supermärkte haben hier ihre integrierten Bäckereifiliale, Kaufhäuser platzieren in Eingangszonen gerne das Parfümeriesegment. Auch sonst sind Gerüche wichtig: Luxusläden riechen gerne nach teuren Lederprodukten, in der Weihnachtszeit kommt Zimt zum Einsatz und in Kinderläden duftet es dezent nach Babypuder.
Bildergalerie: Das sind die Tricks des Einzelhandels
Ob das etwas bringt, ist unklar. Zahlen, inwieweit sich Gerüche positiv auf das Kaufverhalten auswirken, gibt es nicht. Fest steht aber: Gerüche machen etwas mit dem Menschen. „Düfte werden anders als alle anderen Reize im limbischen System des Gehirns verarbeitet“, betont Rima Rifai von der Duftmanufaktur in Greifswald. Die kleine Firma ist ein Start-up, das die 27-Jährige gemeinsam mit ihrem Lebenspartner Benedikt Hirthammer gegründet hat, um die Kundenbindung zu Online-Händlern zu verbessern – und das über parfümierte Pakete. Kein anderer Sinnesreiz erreicht nämlich schneller die linke Gehirnhälfte, in der auch Emotionen und Erinnerungen verarbeitet werden. Deshalb verbinden auch viele Gerüche mit bestimmten – oftmals positiven – Erlebnissen.
Verbraucherzentrale: Es geht ums Wohlfühlen
Eine Erkenntnis, die sich auch die Marketing-Experten zunutzemachen: „Es geht darum, eine angenehme Atmosphäre in den Läden zu erschaffen“, erklärt der Vorstand der Verbraucherzentrale Mecklenburg-Vorpommern, Jürgen Fischer, die Masche. „Wer sich wohlfühlt, bleibt länger im Geschäft und kauft dann auch etwas – oder sogar mehr als geplant.“
Das sei nichts Neues. „Schon lange setzen Einzelhändler auf Wohlfühltemperaturen oder Sitzmöglichkeiten mit einem Angebot an Heißgetränken in Schuhgeschäften und Bücherläden. Der Geruch ist nun der nächste Schritt in dieser Analogie“, sagt Fischer. Diese Mittel der Werbung zu nutzen, sei zwar berechnend, aber nicht illegal. „Kunden sollten sich nur dieser Tricks bewusst sein“, betont der Verbraucherschützer.
Neue Marketingstrategien werden immer getestet
Dem Geschäftsführer des Handelsverband Nord, Kay-Uwe Teetz, ist kein anderes Unternehmen in MV bekannt, das auf Duft-Marketing setzt. „Ich kenne beruhigende Hintergrundmusik oder eigene Radiosender – dass aber nun auch Gerüche eingesetzt werden, ist mir neu“, sagt Teetz.
Die meisten Einzelhändler im Land würden seiner Meinung nach auf Probierstationen oder Aktionen setzen. „Aber neue Strategien werden immer ausgetestet. Sollten sie nicht den gewünschten Effekt erzielen, verschwinden sie auch schnell wieder.“
Nettes Beiwerk – aber es kommt auf anderes an
Dass Wohlfühlen wichtig ist, sagt auch Nancy Schäfer. „Düfte benutzen wir aber nicht“, sagt die Leiterin des Edeka-Marktes in der Rostocker Innenstadt. Entspannungsmusik spielt aus den Lautsprechern der Filiale, ein Brunnen plätschert bei den Kräutern, ein Berg aus Eiswürfeln hält das aufgeschnittene Obst und die Smoothies frisch. „Das Wohlfühlerlebnis ist ein nettes Beiwerk, aber jeder Kunde nimmt die Spielereien anders wahr – von Kritik bis Lob habe ich schon alles gehört“, betont sie.
Was die Kunden laut Nancy Schäfer am wichtigsten finden, sind nette Mitarbeiter und ein ordentliches Erscheinungsbild des Geschäftes. „Wer sich willkommen oder gut aufgehoben fühlt, der kauft auch etwas“, ist sich die Marktleiterin sicher. Ein schöner Duft könne keinen schlechten Service übertünchen.
Ann-Christin Schneider