Trotz Corona: So voll sind jetzt Garten- und Baumärkte

Die Sonne lacht, sie lässt den Frühling erwachen und die Menschen den Gedanken an die Gefahr durch das Corona-Virus beinahe vergessen. Was sich am Sonnabend in den Bau- und Gartenmärkten des Landes abspielt, hat mit sozialer Distanz als ein effektives Mittel, die Ausbreitung des Covid-19-Erregers zu verlangsamen, nicht viel zu tun. Sonnabend, 1o Uhr, Parkplatz Grönfingers, einem der größten Gartenmärkte in MV: Die Stellflächen sind zu gut 75 Prozent gefüllt, Einlasskontrollen gibt es nicht. Wohl aber den Hinweis am Eingang, bitte drei Meter Abstand zu anderen Kunden und den Verkäufern zu halten. Auch die Mitarbeiter tragen ein Schild am Kittel, mit dem sie um Abstand bitten. Angesichts der Menge der Menschen und ihren Wagen voll Buchsbäumchen und Stiefmütterchen gar nicht so einfach. Viele rechnen mit einer Ausgangssperre: Immerhin macht Corona die Leute gesprächig. Sich von Reportern beim Verstauen der Einkaufe im Kofferraum ansprechen zu lassen, nervt sonst viele. Aber wenn’s um Corona geht, reden die meisten gern über konkrete und diffuse Ängste sowie das Verhalten der Mitmenschen. Sie könne nicht verstehen, dass es immer noch Menschen gibt, die sich in größeren Gruppen treffen, sagt Sarah Mottschall, während ihre Eltern, ein Freund der Familie und ihr Mann die Grönfingers-Einkäufe ins Auto laden. So viel, dass sie in dem Kombi die Rücksitze umlegen müssen. Warum sich gleich zu fünft ins Getümmel stürzen? „Wir sind in ein neues Haus gezogen, der Garten muss fertig werden. Wann sonst? Wir haben gerade Zeit, weil sonst ja nichts mehr stattfindet“, erklärt Sarahs Mann Tobias. So denken fast alle an diesem Vormittag auf dem Parkplatz und betonten zugleich, dass sie ab Montag ohnehin mit einer Ausgangssperre rechnen. Dann könnten zu Hause alle fleißig weiter gärtnern, während die Fachmärkte in diesem Fall wohl schließen würden. Lieber heute kaufen, was ab Montag gebraucht wird. Um 8 Uhr sei sie, sagt Sarah Mottschall, mit ihrem Tobias bereits bei Globus gewesen, um Lebensmittel zu kaufen. „Extra früh, weil wir dachten, es ist noch leer.“ Aber denkste. Selbst die Polizei weiß nicht immer, was gilt: Conny Rohmann hat genug Zeit, das Geschehen aus ihrem Imbisswagen bei Grönfingers zu beobachten. Viel zu tun hat sie nicht. Der Umsatz sei rapide zurückgegangen, an einigen Standorten ihrer Firma um bis zu 90 Prozent, seitdem ab Mittwoch alle Geschäfte außer Lebensmittel- und Bau- und Gartenmärkte geschlossen hätten. Es ist ihr letzer Tag heute. Ab 18 Uhr müssen Restaurants vorerst komplett schließen. Auch eine Currywurst-Bude macht keine Ausnahme mehr. „Ich stehe hier seit 15 Jahren bei Wind und Wetter, mich haut das Virus nicht um“, sagt die 51-Jährige. Die Unsicherheit sei aber groß. In den vergangenen Tagen sei mehrfach die Polizei vorgefahren, um ihr weiszumachen, dass sie ihren Wagen schließen müsse. „Die wussten selbst nicht, was gilt.“ Sie hätte von Blumenläden gehört, die am Dienstag ihr gesamtes Sortiment verschenkt hätten, in der Annahme ab Mittwoch ebenfalls schließen zu müssen. Sie durften aber ebenfalls weiter öffnen. Am Schutower Kreuz in Rostock regieren die Gegensätze. Während der Ikea-Parkplatz vollkommen verwaist ist, weil Ikea bundesweit alle Filialen geschlossen hat, reicht die Autoschlange vor dem benachbarten Bauhaus-Bau- und Gartenmarkt bis auf die B 105. Anders als bei Grönfingers wird die Zufahrt reguliert. Seit 8 Uhr stehen Yves Grigull und Jano Uhn hier und müssen sich das Gemecker der Leute anhören. „Verständnis haben die Wenigsten“, sagt Grigull. „Wir tun das, um die Menschen zu schützen.“ Maximal 50 Autos dürfen auf den Parkplatz, 100 Menschen gleichzeitig in den Baumarkt. Es gilt das Eins-zu-eins-Prinzip. Nur wenn ein Fahrzeug wegfährt, darf ein anderes die Absperrstation von Grigull und Uhn passieren. Auffällig ist, dass, egal wo, auch viele ältere Menschen am Sonnabend in den Baumärkten unterwegs sind, obwohl sie durch Corona besonders gefährdet sind. Autos mit fremden Kennzeichen: In Warnemünde, einem der touristischen Hotspots im Land, herrscht indes am Vormittag beinahe Stille. Nur wenige Menschen schlendern über die Promenade. An der Hafenkante haben sich einige wenige Angler aufgereiht. Das Café Röntgen bietet jedes Stück Torte für 2,50 Euro an. Morgen ist ja Schluss, begründet der Verkäufer die Maßnahme. Nicht wenige Autos mit fremden Kennzeichen fahren die Straße hinter dem Strand entlang: Halter aus Hamburg, Berlin, Göttingen und Osnabrück. Eigentlich hätten sie bis Donnerstag abgereist sein müssen. An einzelnen Häusern stehen die Hinweisschilder auf Ferienwohnungen noch immer auf „Belegt“. Vielleicht aus Versehen. Helmut Marks harrt gemeinsam mit seinem Koch in der kleinen „Lotsenstube“ am Leuchtturm aus, serviert dampfende Erbsensuppe für 4,50 Euro und schenkt sich mittags lieber gleich einen Rotwein ein. Eine Situation wie diese habe er seit seiner Kindheit nicht erlebt in Warnemünde. Eine ältere Dame, die an einem der Strandaufgänge Souvenirs und Zeitungen anbietet, pflichtet ihm bei. Zwei Tageszeitungen habe sie bisher verkauft. Sie glaubt, dass ihr Chef bald anrufen wird – mit der Bitte, den Shop zuzumachen. Erst am frühen Nachmittag nimmt der Betrieb auf der Promenade doch noch etwas zu. In der „Lotsenstube“ gingen bis mittags gerade einmal zwei Glühwein über den Tresen und die eine Erbsensuppe für den OZ-Reporter. Seinen Koch müsse er ab Montag in Kurzarbeit schicken, sagt Marks und betont, dass die Krise selbst seine Rentenpläne durcheinanderbringe. Er sei jetzt 64, würde gern bis 67 weitermachen und nebenher von einem Aktienpaket leben, das er sich zugelegt habe. „Aber das ist jetzt ja auch in den Keller gerauscht.“ Marks hofft, dass die Sperrung der Restaurants in spätestens zwei Wochen wieder aufgehoben wird. „Ja, ich habe Verständnis für die Schutzmaßnahmen, aber zurzeit sind wir es, die kleinen Selbstständigen, die den höchsten Preis dafür bezahlen.“ Mehr zum Thema: Quarantäne im Kleingarten: Rostocks OB Madsen will Schlaf-Verbot für Lauben aufheben Coronavirus-Lage in MV im Liveticker: Das ist die Situation am Sonnabend Insulaner fordern wegen Corona: Macht Rügen und Usedom wieder dicht Corona in MV: Das ist die aktuelle Zahl der Infizierten Von Benjamin Fischer