Umwelt und Landwirtschaft: Vogelsterben in MV: 70 Prozent aller Ackervögel stark gefährdet

In den Baumwipfeln und auf dem Feldern könnte es in den kommenden Jahren deutlich leiser werden. Denn vielen der in Mecklenburg-Vorpommern beheimateten Vogelarten geht es schlecht. Am stärksten betroffen sind laut dem Vorsitzenden der Ornithologischen Arbeitsgemeinschaft MV (OAMV), Klaus-Dieter Feige, die Agrarvogelarten, also auf Feldern, Wiesen und Äckern brütende Vögel. Deutschlandweit sollen nach Angaben der Deutschen Ornithologischen Gesellschaft zufolge etwa 70 Prozent aller Agrarvogelarten akut gefährdet sein. Das Bundesamt für Naturschutz beziffert den Rückgang der auf dem Boden lebenden Vögel zwischen 1980 und 2010 auf etwa 300 Millionen Paare. Reproduktion einiger Vögel in Gefahr: Laut Feige seien die Bestände dieser Arten, zu denen der Kiebitz, die Feldlerche oder das Braunkehlchen zählen, in den vergangenen 40 Jahren auch in MV massiv gesunken. Das belegen die Brutvogelatlanten, welche die OAMV regelmäßig veröffentlicht. Die Anzahl der Paare beim Kiebitz betrug demnach 1980 noch 7000. Im Jahr 2009 waren es nur noch 1900. „Heute sind es wohl kaum mehr 1000 Paare“, meint Feige. Auch die Brutpaare des Weißstorches seien mittlerweile deutlich unter 800 gesunken. Bei einigen Vogelarten bestehe sogar ein hohes Risiko, dass sie sich nie wieder erholen. „Während die Anzahl der Seeadler oder der Kraniche in den vergangenen Jahren wieder zugenommen haben, laufen andere Arten Gefahr, bald unter die Grenze der Reproduktionsfähigkeit zu fallen“, warnt Feige. Dazu gehörten zum Beispiel der Wachtelkönig, der Kiebitz, der Baumfalke oder der Schwarzstorch. Einige der am stärksten bedrohten Arten in der Bildergalerie Die Gründe für das Vogelsterben seien vielfältig. Während Windräder, Autos oder Katzen eher zu vernachlässigen sind, ist die Trockenheit in Folge des Klimawandels eine der gravierenderen Ursache, sagt Feige. Dadurch fehle es an Insekten, die die Nahrungsgrundlage der Vögel bildeten. „Das führt zum Beispiel dazu, dass Störche ihre Jungen aus dem Nest schmeißen, weil sie sie nicht mehr ernähren können.“ Doch wenn man das Vogelsterben stoppen wolle, müsse man bei der Landwirtschaft ansetzen, so Feige. Pestizide, Insektizide, immer effizientere Bewirtschaftungsmethoden, Zerstörung der Feldraine – all das führe zur Zerstörung der Nester samt Nachwuchs. Christian Ehlers, Vorsitzender des Bauernverbandes Nordvorpommern, meint, vielen Bauern sei klar, dass ihnen mit Blick auf den Rückgang der Artenvielfalt eine besondere Verantwortung zukomme. Ihm zufolge könnte ein bundesweites Projekt helfen, einen Weg zu finden, wie Landwirte, die den Schutz der Arten stärker berücksichtigen, für eventuelle Bewirtschaftungseinschränkungen entschädigt werden können. Er schätzt, dass jeder fünfte Landwirtschaftsbetrieb in Vorpommern versucht, mit sogenannten Blühstreifen, Lerchenfenstern oder Kiebitzinseln, also Ackerflächen, die von der Landwirtschaft unberührt bleiben, die Brutbedingungen für Bodenbrüter zu verbessern. Vertrauen in Politik nicht gegeben: Aus dem Umweltministerium heißt es zur Problematik, man ergreife eine Vielzahl von Maßnahmen zum Vogelschutz in der Agrarlandschaft. „Die Naturschutzverbände werden regelmäßig zu Beratungen in das Ministerium und das Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie MV eingeladen“, sagt Sprecherin Eva Klaußner-Ziebarth. Beim OAMV ist man hingegen enttäuscht. „Das Vertrauen in die Politik bei uns im Verband geht gegen Null“, meint Feige. „Wir treten höchstens als Erklärer und Warner auf, ohne ernsthaft Gehör zu finden.“ Lesen Sie auch: Hausarrest und Leinenzwang für Katzen in MV: Tierschützer sind kritisch Plage für Landwirte: MV will Jagd auf Nandus freigeben Kommentar: Politik muss Bauern mehr unterstützen Kommentar: Nandus sollen in MV gejagt werden? Feuer frei! Zahl der Weißstörche in Mecklenburg-Vorpommern weiter gesunken Mehr zum Autor Von Flemming Goldbecher