Wal-Coup: Bürgermeister wusste nichts

Der in der Nacht zum Freitag angeblich vor Zingst gestrandete Pottwal (die OZ berichtete) sorgte auch am Wochenende für mächtig Welle. Nicht einmal der Bürgermeister des Ostseeheilbads, Andreas Kuhn (CDU), war in die Aktion seiner Kurverwaltung eingeweiht worden und wurde nach eigenen Worten völlig davon überrascht. „Ich habe gedacht: Donnerwetter! Pottwale in der Ostsee! Wer hätte das für möglich gehalten?“, sagte er am Sonnabend bei der Eröffnung des Umweltfotofestivals „Horizonte“. Die Aktion habe ihn ein wenig aus der Bahn geworfen. „Aber ich habe mich schnell gefangen“, so Kuhn, der gestern auch als Kandidat der CDU bei der Landratswahl in Vorpommern-Rügen antrat und in die Stichwahl kam. Die Attrappe des 15 Meter langen Wals war in der Nacht zum Freitag mit Hilfe eines Radladers aus Anlass des Fotofestivals an den Strand gelegt worden. Danach hatte die Kurverwaltung eine Pressemitteilung herausgegeben, aus der hervorging, dass es sich um einen echten Wal handele. Selbst auf Nachfrage wurde diese Aussage zunächst nicht zurückgenommen. „So etwas polarisiert natürlich. Aber wir wollten deutlich auf die Probleme in den Meeren aufmerksam machen. Das kannst du nur mit solch spektakulären Aktionen“, sagte Peter Krüger, Chef der Kur- und Tourismus GmbH, am Wochenende zum Wal-Betrug. „Die Geräusche, die Plastiktüten im Meer machen, gaukeln den Walen vor, dass es Futter ist. Die Tiere fressen das und verhungern mit vollem Magen“, so Krüger. Für Landestourismusverbands-Chef Bernd Fischer war die Aktion ein Coup. „Ich halte das für eine tolle Anregung und einen tollen Impuls“, sagte er der OZ. Wenn Marketing genial sein solle, müsse es wie in Zingst eine Spur überdreht sein. „Die Aktion regt die Leute an, über das Thema nachzudenken. Sie reden darüber“, schätzte Fischer ein. Am Strand gab es in der Tat am Wochenende kaum ein anderes Thema. „Der Wal wirkt wie echt. Ich war ganz traurig, als ich ihn gesehen habe“, sagte Urlauber Axel Kreis. „Wir haben uns nur gewundert, dass der nicht gerochen hat“, meinte seine Frau Marlies. Dass auf die Plaste-Problematik in den Ozeanen aufmerksam gemacht werde, finden die beiden Mittfünfziger gut – genauso wie Brigitte Engels (69), die das riesige Tier von ihrem Strandkorb aus im Blick hatte. Auch Benedikt (8) und Valentin (5) aus Offenstetten bei Regensburg in Bayern hielten den Wal für echt und stellten Fragen über Fragen an Stan Vangheluwe, der sich als Wissenschaftler ausgab und schlagfertig Antworten parat hatte. Wie kam der Wal hierher? Über Dänemark und das Kattegat. Wie lange bleibt der Wal am Strand? Noch eine Woche. Und was passiert, wenn er so liegen bleibt? „Dann stinkt er“, sagte Vangheluwe und hielt sich die Nase zu. Der Mann im weißen Overall machte seine Sache sehr überzeugend. Er gehört dem internationalen Künstler-Kollektiv „Captain Boomer“ an, das den Pottwal in Antwerpen aus Plastik hergestellt hat und mit ihm bereits in Paris, London und Warschau war, wie der Zingster Tourismuschef Peter Krüger berichtete. Bis 3. Juni ist die Attrappe noch im Ostseeheilbad zu sehen, danach wird sie nach New York gebracht, wo sie ebenfalls für Aufsehen sorgen wird. Ob die Aktion für Zingst noch ein Nachspiel hat, wird sich zeigen. Die Polizei hatte am Freitag angekündigt, Ermittlungen zu prüfen, da Beamte zu einem Notfall gerufen worden waren, der keiner war. Bürgermeister Kuhn entschuldigte sich am Sonnabend bei allen, denen die Aktion sauer aufgestoßen sei. Und Tourismuschef Krüger sagte, dass es so etwas nicht so bald wieder geben werde. Thomas Pult

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