Wildschwein-Plage in Greifswald: Verwaltung prüft Bejagung der Tiere

Greift das Rathaus nun doch härter gegen Wildschweine im Stadtgebiet durch? Bei einem Pressetermin am Freitag verkündete die Verwaltung weitere Maßnahmen, um die Tiere aus der Stadt zu vertreiben. Auch die Bejagung wurde thematisiert. Mit dieser werde sich die Stadtverwaltung nochmals befassen, sagte Winfried Kremer, Leiter des Immobilienverwaltungsamtes. „Das Thema muss umfassend beleuchtet werden, weil es kein einfaches ist.“ Eine mögliche Bejagung sei nur die allerletzte Lösung und höchstens in absoluten Einzelfällen eine Option. Denn dies würde in befriedeten Bezirken immense Sicherheitsvorkehrungen erfordern, so Kremer. Zudem berge die Jagd enorme Risiken in Bezug auf mögliche Querschläger. „Am Ende muss man auch jemanden finden, der die Verantwortung und das Risiko der Jagd übernimmt. In dem Bereich, wo wir uns befinden, ist das äußerst schwer zu lösen“, sagte Kremer. Der Amtsleiter ist sich bewusst, wie heikel das Thema ist. „Man muss bedenken, dass es Menschen gibt, die die Tiere mögen.“ Bachen stehen zusätzlich unter dem Schutz des Bundesjagdgesetzes und dürfen weder vergrämt noch gejagt werden. Umfrage: Wildschweine mitten in Greifswald: Wie groß ist Ihre Sorge? Oberbürgermeister sieht Zusammenleben mit den Tieren kritisch: Um gegen das Wildschweinaufkommen in der Stadt vorzugehen, gilt ab sofort ein Wildtierfütterungsverbot, Verstöße dagegen werden mit einem Bußgeld bis zu 5000 Euro geahndet. Auf der Agenda steht auch der Stadtpark. In dem Gebiet suche ein Großteil der Tiere häufig Schutz. „Wir müssen darüber nachdenken, ob dieser dann so naturbelassen bleiben soll“, erläuterte Kremer. Trotz der Maßnahmen, wie dem Einsatz von chemischen Vergrämungsmitteln oder Störaktionen an den Orten, wo sich die Rotten in der Stadt niedergelassen haben, lassen sich die Tiere kaum beirren. „Die Schweine wissen, dass sie in der Stadt nicht gejagt werden. Zudem ist das Nahrungsangebot hervorragend“, fasste Oberbürgermeister Stefan Fassbinder (Grüne) zusammen. Auch wenn er das Zusammenleben mit den Tieren kritisch sieht und die Ängste der Greifswalder verstehen kann, sei die Vertreibung aus der Stadt ein langwieriges Thema. Lesen Sie auch Videos zeigen Wildschweine mitten in Greifswald: Bürger haben Angst Greifswald: Studentensteig wird wegen Wildschweinrotte dicht gemacht Immer mehr Wildschweine in Greifswald: Bache bekommt Junge mitten in der Stadt Wildtiermanager: Tiere sind in diesem Jahr tagaktiver: Und das spaltet die Hansestadt: Während sich die einen mit einem möglichen Aufeinandertreffen mit den Tieren arrangieren können, fordern andere härtere Maßnahmen, um gegen das Schwarzwild, das mittlerweile immer häufiger tagsüber in Wohngebieten auftaucht, vorzugehen. Deutschlandweit hätten sich die Wildschweinbestände trotz Bejagung erhöht, sagte Wildtiermanager Heiko Gust. Die Menge der Wildschweine in Greifswald sei mit Stand Februar 2020 aber identisch zum Vorjahr: „Das Problematische in diesem Jahr ist, dass die Tiere sehr tagaktiv sind.“ Zwischen 70 bis 100 Wildschweine aller Altersgruppen halten sich derzeit im Stadtgebiet auf. Stadt müsse Möglichkeiten der Bejagung in Betracht ziehen: Beinahe täglich seien die Tiere im Ortsteil zu sehen, berichtet Rolf-Dieter Nagel aus Eldena. Seit 20 Jahren wohnt er dort: „In den letzten Jahren ist es mehr geworden.“ Anders als der Wildtiermanager geht der 65-Jährige nicht davon aus, dass sich die Frischlinge, sobald sie größer sind, in den Wald zurückziehen werden: „Wozu auch? Hier finden sie ja anscheinend genügend Futter.“ Was die Stadtverwaltung gegen die Wildschweine unternimmt, reiche nicht aus, so Nagels Meinung. „Man kann doch mit einem Jäger sprechen, welche Möglichkeiten es gibt, um im Bereich Eldena die Tiere zu schießen, ohne dass Menschen in Gefahr sind. Es ist richtig, dass Bachen mit Frischlingen davon ausgenommen sind, aber wenn wir nichts machen, wird es zu einem exponentiellen Problem.“ Wildschweine auf dem Friedhof in Eldena: Mittlerweile haben die Schwarzkittel auch den Friedhof in Eldena für sich entdeckt. Obwohl der Gottesacker komplett eingefriedet ist, wühlten sich die Wildschweine durchs Erdreich. „Wir werden deshalb den Friedhof aus Sicherheitsgründen für alle Besucher bis Montag sperren“, kündigt Johann Riedel, Pastor der Evangelischen Bugenhagengemeinde Wieck/Eldena an. Er hofft, das Areal dauerhaft so zu sichern, dass Personen es wieder gefahrlos betreten können. Beim Greifswalder Berufsbildungswerk (BBW) ist die Sorge immer noch groß, seitdem sich im Januar hinter der Sporthalle des BBW eine Bache mit ihren Frischlingen niedergelassen hat. Der Bereich wurde umzäunt. „Unsere Mitarbeiter wissen, wie sie sich verhalten müssen, wenn sie auf das Tier treffen. Man darf aber nicht vergessen, dass wir mit vielen Menschen mit Behinderungen arbeiten“, sagte Stefanie Niemeyer. CDU-Fraktionschef Axel Hochschild sieht kaum Erfolge bei den bisherigen Maßnahmen der Stadtverwaltung: „Ohne eine Bejagung werden wir das Wildschweinproblem nicht lösen können. Das Rathaus muss endlich aufwachen und handeln, sonst werden aus hundert sehr schnell zweihundert Wildschweine.“ Von Christin Lachmann