Zum Tod von Alfred Gomolka: Vom Wissenschaftler zum Landesvater von MV

Alfred Gomolka ist tot. Der erste frei gewählte Ministerpräsident Mecklenburg-Vorpommerns nach 1990 starb am Dienstag im Alter von 77 Jahren. Weggefährten, Bekannte, Freunde trauern; sie beschreiben einen bescheidenen, zurückhaltenden, klugen Mann, dessen Rat ihnen wichtig war. Gomolka, verheiratet, Vater von vier Kindern, litt an der Parkinson-Krankheit. Alfred Gomolka kommt 1990 quasi per Zufall in die Schaltzentrale der Macht in Schwerin. In der Volkskammer suchen CDU-Leute aus dem Nordosten einen Spitzenkandidaten zur Landtagswahl. Ein Kandidat ist Georg Diederich aus Schwerin. Doch es sollte „eine Auswahl geben“, blickt Lorenz Caffier (65) zurück. Caffier erinnert sich an einen „richtigen Landesvater“: „Ich habe Alfred Gomolka vorgeschlagen“, erzählt der heutige Innenminister des Landes. Er erinnere sich noch an die Reaktion des Greifswalders: „Als ich ihn ansprach, sagte er: ‚Sowas hat mich ja noch niemand gefragt‘“, so Caffier. Warum Gomolka? „Er war dem Volk zugewandt, verfügte über ein breites Wissen, war ein ausgleichender Typ“, sagt Caffier. Was er sich in den Kopf setzte, habe Gomolka auch durchgezogen. Ein „richtiger Landesvater“ halt. Galerie: Alfred Gomolka – Stationen eines Lebens Im Oktober 1990 gewinnt die CDU die Landtagswahlen in MV, der Hochschullehrer Gomolka, damals 48, wird erster Regierungschef. Er erhält 36 von 66 Stimmen. Schwerin wird Landeshauptstadt, Gomolka regiert mit CDU und FDP, verabschiedet im Rekordtempo Gesetze. Werftenkrise: 1992 ist für Regierungschef Gomolka Schluss: Im März 1992 ist schon wieder Schluss für Ministerpräsident Gomolka. Er tritt im Zuge der Werftenkrise zurück. Gomolka will den völligen Ausverkauf durch die Treuhand an die Bremer Vulkan AG verhindern, stattdessen kleinteilige Privatisierung. Ein Gegenspieler damals: der Bundesminister für Verkehr und Parteifreund Günther Krause aus MV, der sich durchsetzt. Als Gomolka seinen Justizminister Ulrich Born entlässt, lässt ihn seine eigenen Fraktion fallen. Chef damals: Eckhardt Rehberg, heute CDU-Haushaltsexperte im Bundestag und Parteivorsitzender in MV. Er würdigt Gomolka als engagierten Politiker. „Er war bescheiden, stellte sich den vielfältigen Anforderungen, war immer gut vorbereitet.“ Er habe sich „bleibende Verdienste als erster Ministerpräsident bei der Wiedererrichtung und Aufbau des Landes MV erworben“. Der östliche Landesteil sei Gomolka „eine Herzensangelegenheit gewesen“. Von 1994 bis 2009 war Gomolka Abgeordneter im Europäischen Parlament. Wegbegleiter vermissen den Ratgeber und Analytiker: „Er gab gute Ratschläge“, sagt Franz-Robert Liskow, CDU-Kreischef in Vorpommern-Greifswald. „Wenn man ihn fragte.“ Aufgedrängt habe sich Gomolka nie. Viele Attribute fallen Liskow ein. „Integer, schlau, von einer gewissen Aura umgeben.“ Für Axel Hochschild, CDU-Fraktionschef in Greifswald, war der Verstorbene „ein väterlicher Freund. Er hat sich immer für Greifswald eingesetzt und leidenschaftlich für den Erhalt und Ausbau der Universität gekämpft. Wir sind sehr traurig.“ Alfred Gomolka wurde am 21. Juni 1942 in Breslau geboren, studierte ab 1960 Geografie und Germanistik in Greifswald, wurde dort 1971 promoviert, 1988 folgte die Habilitation. Von 1992 bis 2008 war er offiziell Professor für Raumordnung und Landeskunde an der Universität Greifswald. Von 1994 bis 2009 war Gomolka für die CDU Mitglied des Europäischen Parlaments. Noch 2014 ließ er sich in den Kreistag von Vorpommern-Greifswald wählen. Die vergangenen Jahre lebte er in der Nähe von Loitz. In die CDU trat Gomolka bereits 1960 ein, verließ sie 1968, um 1972 erneut Mitglied der damaligen DDR-Blockpartei zu werden. Ulrich Adam (69) kam über Alfred Gomolka 1990 in den Bundestag. Vorher aber gab es ein steiniges Treffen. Adam, zum Ende der DDR technischer Leiter der Greifswalder Möbelwerke, suchte einen Raum zur Einlagerung von Möbeln, die nach Schweden sollten. Er sei in einer alten Baracke fündig geworden. Dort allerdings habe Gomolka, damals Mitarbeiter der Stadtverwaltung, Gasbetonsteine für sein Eigenheim gelagert. „So lernten wir uns kennen“, sagt Adam. Wenig später sei er zu Gomolka gegangen, um in die CDU einzutreten, habe dann das Bundestagsmandat erhalten, da Gomolka Landesvater wurde. „Ich habe ihn stets als feinfühligen Menschen gekannt“, so Adam. Tiefgründig, analytisch, empathisch – ein Wissenschaftler eben. „Er war nicht der typische Politiker, der nur Standardsätze hatte.“ Schwesig und Backhaus würdigen „Mann der ersten Stunde“: Till Backhaus (SPD), seit 1998 Agrarminister in MV, erinnert sich gern daran, wie er mit Alfred Gomolka die Privatisierung des Landgestüts Redefin gestoppt habe. „Dies hat dann zur Übernahme durch das Land geführt. Das werde ich nie vergessen.“ Es habe „viele anregende Gespräche zur Zukunft der Landwirtschaft und der Fischerei“ gegeben, als Gomolka im EU-Parlament saß. „Ich habe Prof. Gomolka als Mensch und anerkannten Wissenschaftler sehr geschätzt“, so Backhaus. Alfred Gomolka ist in einer schwierigen Zeit gestorben: Bestattungen sind wegen der Corona-Pandemie stark beschränkt. Ob es einen Staatsakt für den ersten frei gewählten Ministerpräsidenten geben wird, werde zu einem späteren Zeitpunkt entschieden, heißt es aus der Staatskanzlei. Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) würdigt den Verstorbenen als Mann der ersten Stunde, der mit anderen „den Aufbau eines demokratischen Mecklenburg-Vorpommerns maßgeblich und mit großer Leidenschaft auf den Weg gebracht“ habe. In einer Zeit, in der viele Menschen Angst vor der Zukunft hatten, habe sich Gomolka den „riesigen Herausforderungen mutig gestellt“. Die CDU MV nimmt per Pressemitteilung Abschied von Alfred Gomolka: Man trauere um einen „kompetenten, bodenständigen Politiker, um ein engagiertes Mitglied und um einen liebenswerten Menschen“. Lesen Sie auch: Früherer Ministerpräsident: „Demokratie ist fragiles Gebilde“ „Gauden Dach, Mr. President“: Ehre für Harald Ringstorff Von Frank Pubantz