Tierschützer sind erschüttert: Unbekannte haben zehn Chihuahuas in einem Pappkarton in der Gemeinde Steinburg in Schleswig-Holstein ausgesetzt. – die Hunde waren völlig verwahrlost und hockten in ihren Exkrementen. Sechs von ihnen befinden sich inzwischen in der Obhut des Oldesloer Tierheims, die anderen hat eine Pflegestelle im Kreis Stormarn aufgenommen. Ein Vorfall gleichen Musters hat sich zuvor schon im Kreis Rendsburg-Eckernförde ereignet. Womöglich besteht ein Zusammenhang existiert.
Entdeckt wurden die Stormarner Chihuahuas nach Informationen des Oldesloer Tierheims am Morgen des 15. Mai an einer Grundstückseinfahrt. Die Bewohnerin des Hauses wollte gerade mit ihrem Auto zurücksetzen, als sie etwas aus den Augenwinkeln davonhuschen sah. Zunächst vermutete sie, dass es sich um ein Wildkaninchen handelte. Als sie ausstieg, tippelte aber ein kleiner brauner Hund um eine Pappkiste herum, die an einer Stelle angeknabbert war. Offensichtlich hatte sich das Tier daraus befreien können. Als sie den Deckel hob, entdeckte sie auch die anderen neun Hunde, dicht aneinandergedrängt und vor Angst zitternd. Vorsichtig transportierte sie die Findlinge nach Bad Oldesloe ins Tierheim.
Dort sind die Chihuahuas sofort gepflegt und medizinisch betreut worden. „Sie machen schon einen traurigen Eindruck“, sagt die Vorsitzende des Oldesloer Tierschutzvereins, Heike Reher. „Bei einigen sind die Zehennägel eingewachsen und auch die Zähne sind in denkbar schlechtem Zustand. Sie wurden sehr vernachlässigt und sind wohl das Produkt einer Massenzucht.“
Zucht auf Merle-Gen ist illegal
Das nimmt auch Sabine Hegemann an, die das Tierheim Weidefeld in Kappeln leitet und über einen Post im Netz auf den Oldesloer Fall aufmerksam wurde. Bei ihr landeten bereits Anfang Mai auf einen Schlag sieben Chihuahuas, die vor dem privaten Gnadenhof im Kreis Rendsburg-Eckernförde ausgesetzt worden waren. „Wir denken, dass die Hunde in einem Schuppen oder Keller gehalten wurden. Vielleicht kommen auch die Oldesloer Chihuahuas vom selben Halter“, sagt Hegemann. Die Vermutung liege nahe, dass die vier Rüden und drei Weibchen lange Zeit zusammen eingepfercht gewesen seien. Es sei schwierig gewesen, sie überhaupt voneinander zu trennen. „Da haben sich dramatische Szenen mit viel Schreierei abgespielt“, erzählt die Heimleiterin. Auch sie berichtet von ähnlichen Spuren der Vernachlässigung wie das Team des Oldesloer Tierheims. Die gesundheitlichen Defizite der Kappelner Hunde scheinen aber noch gravierender zu sein, befinden sich doch auch blinde und taube Tiere darunter.
Das ist offenbar ein Zeichen von Qualzucht, bei der farblich gefleckte Chihuahuas mit dem sogenannten Merle-Gen unkontrolliert gepaart werden. Meist werden dabei eng verwandte Tiere miteinander gekreuzt, um diesen bei Kunden heutzutage so beliebten Felleffekt bewusst zu erzeugen. Das geht aus einem sachverständigen Gutachten zur Auslegung des Paragraphen 11 des Tierschutzgesetzes, die Qualzucht betreffend hervor. Fatalerweise tritt dieses Gen demnach gemeinsam mit Erkrankungen der Sinnesorgane wie Taubheit oder Blindheit auf. Zum Ausbruch kommen die Defekte bei Welpen, wenn sowohl Rüde als auch Muttertier die heterozygote Merleveranlagung in sich tragen. Eine solche Zucht ist illegal.
Auf Betreiben des für die Gemeinde Loose zuständigen Ordnungsamtes ist deshalb schon Anzeige wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz erstattet worden. Nach Auskunft des stellvertretenden Amtsleiters bezieht die Polizei Rendsburg offenbar auch den Oldesloer Fall in ihre Ermittlungen ein.
Von Dorothea von Dahlen/RND