Kurz vor der Vorentscheidung über die nächste Bundesregierung scheint es bei der Union fifty fifty zu stehen, ob man mit der SPD oder doch mit den Grünen verhandeln will.
Einerseits zeigte sich nach einem Spitzengespräch im Kanzleramt die SPD-Führung um Sigmar Gabriel zuversichtlich über eine schwarz-rote Zukunft, andererseits hatte ein erstes Sondierungsgespräch mit den Grünen bei Unions-Granden einen überraschend positiven Eindruck hinterlassen.
Auf den CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer sollten sich die Zweifler eines schwarz-grünen Regierungsbündnisses nicht unbedingt verlassen. Schwarz-Grün im Bund werde von der CSU keinesfalls sabotiert oder hintertrieben, versicherte Horst Seehofer im Gespräch mit dieser Zeitung. Es sei „einfach falsch und durch nichts zu begründen“, dass die CSU ein solches Bündnis ausschließe. Seine „Präferenz“ bleibe zwar die Große Koalition, „aber entscheidend ist, mit wem wir ein tragfähiges Regierungsprogramm hinbekommen“. Dafür seien die Chancen nach den ersten Sondierungen mit Grünen und SPD gegeben. „Da ist nichts entschieden. Angela Merkel und ich lassen uns auch in dieser Frage, nicht auseinander dividieren.“
Nach Informationen dieser Zeitung erarbeiten die Generalsekretäre von CDU und CSU über das Wochenende ein Konsensprogramm für die abschließenden Gespräche mit SPD und Grünen. Darin soll unter anderem ein Angebot zur Einführung von flächendeckenden Mindestlöhnen, zur strikten Begrenzung von Leih- und Zeitarbeit sowie zur Öffnung hin zu einer auskömmlichen Solidarrente enthalten sein. Im Gegenzug will die SPD eine definitive Abkehr von Eurobonds im Zuge der Euro-Rettung anbieten.
Bei den schwarz-grünen Sondierungsgesprächen am Donnerstag hatten für die Grünen die Vorsitzenden Cem Özdemir und Claudia Roth das Wort geführt, kräftig unterstützt von Jürgen Trittin und Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Abgesehen von einem Disput über die für die Wirtschaft negative Wirkung einer Steuererhöhung sei es zu „keinerlei Rempeleien“ mit Trittin gekommen. Im Gegenteil. Manche hätten sehr wohl registriert, dass dieser „stringent bis zum Abwinken“ argumentiert habe.
Überhaupt sei die Atmosphäre so gewesen, dass nicht nur CSU-Politiker erkannt hätten, das sei „ganz gut“ verlaufen. Auch Finanzminister Wolfgang Schäuble habe im Nachhinein zu Vertrauten gesagt, „das macht Sinn, mit denen zu sprechen“. Die Union müsse natürlich akzeptieren, „dass für die Grünen die ökologische Frage und für die SPD die soziale Thematik von entscheidender Bedeutung“ sei, sagte Seehofer. Bisher gebe es „keinen Punkt, wo ich sagen müsste, das kommt nicht in Frage“.
Nach den abschließenden Sondierungen mit SPD und Grünen werde bei der Union entschieden, mit wem Koalitionsverhandlungen stattfinden sollten. „Erst reden die beiden Chefs miteinander und dann wir zusammen mit wichtigen Funktionsträgern der Union.“ Zum Regierungspersonal seien „definitiv noch keinerlei Verabredungen getroffen worden“.
Dieter Wonka