Corona-Krise im Rostocker Hafen: „Das Leben ist für die Seeleute noch schwerer geworden“

Losten, Seemannsmission, Schiffsversorgung, Seeleute oder Hygieneinspektoren – die Corona-Krise bestimmt den Alltag in den Häfen des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Dürfen die Lotsen noch an Bord anderer Schiffe gehen? Wie können die Mitarbeiter der Seemannsmission den Seeleuten trotz der strengen Sicherheitsbestimmungen beistehen? Wie werden die Forschungsschiffe versorgt? Die OZ hat im Rostocker Überseehafen nachgefragt. Die Seemannsmission: Für viele Seeleute ist die Corona-Krise ein Drama. „Sie sind oft bis zu 14 Monate an Bord ihrer Schiffe“, sagt Regina Qualmann von der Deutschen Seemannsmission in Rostock. Der Landgang fällt für die meisten Seeleute aus, sodass sie so gut wie überhaupt nicht von Bord kommen. „Dabei wäre das so wichtig für sie“, betont die Sozialarbeiterin und fügt an: „Die Seeleute haben eh schon ein schweres Leben und durch Corona ist es noch schwerer geworden.“ Auch die Mitarbeiter der Seemannsmission dürfen zurzeit nicht an Bord der Schiffe gehen. Daher werden Treffen auf der Pier organisiert, mit jeweils nur einem Seemann sowie Maske und Abstand versteht sich. Die Mitarbeiter bringen den Seeleuten dann Zeitungen in den Sprachen der Seeleute, zum Beispiel Kroatisch, Rumänisch, Indisch, Philippinisch, mit Nachrichten aus ihren Heimatländern. „Und wir geben ihnen Telefonkarten, damit sie Kontakt zu ihren Familien in der Heimat aufnehmen können“, sagt Regina Qualmann. Die Seeleute haben bei den Treffen auch Gelegenheit, von ihren Sorgen zu erzählen, und sie bekommen – besonders wichtig in dieser Jahreszeit – warme Kleidung geschenkt, die von Rostockern gespendet wurde. Zudem besorgt ihnen die Seemannsmission beispielsweise Hygieneartikel, Süßigkeiten oder Kartoffelchips, kleine Aufmerksamkeiten also, die die lange Zeit an Bord erträglicher machen können. Die Lotsen: „Wir haben die Kontakte stark reduziert“, sagt der Ältermann der Lotsenbrüderschaft Wismar-Rostock-Stralsund, Andreas Krüger. Größere Ansammlungen von Lotsen würden vermieden. Zudem seien alle Lotsen mit FFP2-Masken ausgerüstet, und Dritte würden auf den Lotsenbooten derzeit nicht mitgenommen. Wenn Lotsen an Bord eines Schiffes gehen, würden natürlich alle Hygienevorschriften eingehalten: Mindestabstand, Desinfektion, Maske. Auf den Schiffen, die Lotsen bestellen, sei die Sensibilität zurzeit sehr hoch, um jegliche Fälle von Corona an Bord zu vermeiden. Der lotsenpflichtige Verkehr habe seit Ausbruch der Pandemie für die 34 Lotsen der Brüderschaft abgenommen. Vor allem in Rostock und Wismar seien Rückgänge um 20 Prozent zu verzeichnen, erklärt Andreas Krüger, in Rostock vor allem bedingt durch den Ausfall der Kreuzschifffahrt. In Stralsund hingegen habe es eine leichte Zunahme gegeben. Grund seien Erhaltungsbaggerungen, etwa in Ladebow, gewesen. Die Schiffsversorger: Vor große Herausforderungen stellt die Reedereien derzeit die Versorgung der Forschungsschiffe. „Dem regelmäßigen Austausch von Crew und Wissenschaft geht eine 14-tägige Quarantäne voraus“, erklärt Christine Schmidt, Leiterin Proviantabteilung bei der Schiffsversorgung Rostock (SVR). Außer der „Polarstern“ befinden sich alle deutschen Forschungsschiffe – „Sonne“, „Maria S. Merian“ und „Meteor“ – derzeit in Deutschland und unternehmen Forschungsreisen in Nord- und Ostsee. „Das bedeutet für uns einen Versorgungsauftrag in kurzen Intervallen von drei bis vier Wochen, wo wir sonst vierteljährlich Container in alle Welt geschickt haben“, sagt Christine Schmidt. Für die gesamte Kloska Group, zu der die Schiffsversorgung Rostock gehört, habe man ein einheitliches Hygienekonzept erarbeitet. Auch die Belieferung der Schiffe ist stark reglementiert. Der Außendienstmitarbeiter dürfe in der Regel nur bestimmte Bereiche auf den Schiffen betreten, die vom Kapitän bestimmt würden, um Lieferpapiere und Zollformulare zu klarieren. Zudem hätten Lkw-Fahrer „Mindestabstand und Maskenpflicht bei den Lieferungen einzuhalten“. Der Hafenärztliche Dienst: Die Mitarbeiter des Hafenärztlichen Dienstes in Rostock tragen bei den Kontrollen auf den Schiffen Arbeitsschutzkleidung, Mund-Nasen-Schutz und desinfizieren häufiger die Hände, teils würden auch Einweghandschuhe getragen, teilt das Rostocker Gesundheitsamt mit. Bordbesuche fänden derzeit allerdings nur auf Anforderung des Schiffes oder der Makler statt. Auf mehreren in Rostock eingelaufenen Schiffen wurden im vergangenen Jahr Corona-Fälle festgestellt. Das erste Schiff war der Frachter „Kaie“, der im Mai zwei Wochen in Rostock festlag, weil sich Besatzungsmitglieder mit dem Coronavirus angesteckt hatten. Im Juli wurden den Angaben zufolge Besatzungsmitglieder von zwei Kreuzfahrtschiffen positiv getestet, im Augst bei einem Chemietanker, im November bei einer Fähre und im Dezember bei einem Behördenschiff. Lesen Sie auch Schiffskontrollen in Rostock: Warum Morphium immer an Bord sein muss Rostocker Firma versorgt Schiffe in aller Welt: So kommt der Whiskey in die Arktis Wachwechsel bei der Lotsenbrüderschaft in MV Von Axel Meyer-Stöckel