Nach 40 Jahren noch einmal im Fußballstadion

„Hier ist aber ordentlich was los“, sagt Waldtraud Mollau, als sie am Sonnabend vor der DKB-Arena vorfährt. Ihre Augen werden groß, die Freude ist der 78-Jährigen anzusehen. Um ihren Hals hängt ein Hansa-Schal. Mehr als 40 Jahre ist es her, dass sie ein Spiel des FC Hansa Rostock live im Stadion sehen konnte. Noch einmal die Atmosphäre erleben — das war ihr großer Wunsch. Der Rostocker Patienten-Shuttle erfüllte der Rolli-Fahrerin diesen. Allein kann Waltraud Mollau schon länger nicht mehr. Seit 1985 ist sie nierenkrank, mittlerweile muss sie alle zwei Tage für vier Stunden zur Dialyse. Anfang 2011 wurden ihr beide Unterschenkel abgenommen, seitdem sitzt sie im Rollstuhl. „Allein mit dem Bus fahren? Das ist mir zu gefährlich“, sagt die 78-Jährige, die im Seniorenzentrum „An der Warnow“ lebt. 1959 kam die gebürtige Berlinerin nach Rostock, fuhr erst zur See und arbeitete dann als Kontrolleurin im Rostocker Fischkombinat. Mit dem Umzug an die Küste begann auch ihr Herz für den FC Hansa Rostock zu schlagen. Ihre Leidenschaft teilte sie mit ihrem Mann, den sie 1970 heiratete. Kennengelernt haben sich die beiden bei der Seefahrt. 2010 verstarb ihr Ehemann dann plötzlich. Kinder hatten die beiden keine. Alleine sei sie aber dennoch nicht, sagt sie 78-Jährige. „Ich habe einen sehr guten Bekanntenkreis. Jede Woche bekomme ich viel Besuch im Heim.“ Schon in Berlin sei sie regelmäßig im Stadion gewesen. In Rostock habe ihr vor allem das enthusiastische Publikum gefallen. „Einmal“, so erinnert sich Waltraud Mollau, „war ich mit meiner Mutter beim Spiel Hansa gegen den Berliner Fußball Club Dynamo, und sie feuerte natürlich die Berliner an. Das fand ich ganz schön mutig, denn die Rostocker um uns rum haben sich natürlich mächtig aufgeregt.“ Auch am Sonnabend ist sie überwältigt von der Stimmung in der DKB-Arena. „Das ist ja besser als in einem Wild-West-Film“, sagt sie mit Blick auf die beiden Fanblocks. „Im Fernsehen kommt das ja sonst gar nicht so rüber.“ Immer wieder lässt sich Waltraud Mollau mitreißen, fiebert mit geballten Fäusten mit, wenn einer der Hansa-Spieler dem Tor näher kommt, und zeigt sich sichtlich enttäuscht, als es am Ende nicht für einen Treffer reicht. Immer an ihrer Seite: Dirk Markert vom Patienten-Shuttle. Der 46-Jährige erklärt seiner Patientin, was es mit den Gegnern auf sich hat und warum in den ersten Minuten des Spiels noch keine Zuschauer im Hansa-Fanblock sind. „Die kommen noch, keine Sorge Frau Mollau“, beruhigt er sie. Bei dem vielen Kontakt würde sich mit den Patienten ein gewisses Verhältnis aufbauen, erzählt Markert. Dass seine 78 Jahre alte Patientin eine begeisterte Fußball-Anhängerin ist, wussten er und seine Kollegen schon länger. Ende des vergangenen Jahres kam dann die Überlegung, mit Waltraud Mollau einen Ausflug ins Stadion zu machen. „Ähnliches haben wir schon mit zwei Patienten zuvor gemacht. Das erste Mal vor sieben Jahren“, erzählt Markert. Doch nicht allen könnte man diese Wünsche erfüllen. „Viele sind bettlägerig oder zu krank, um sie für eine längere Zeit aus den Heimen zu holen.“ Waltraud Mollau wird der Ausflug noch lange in Erinnerung bleiben, auch wenn ihre Mannschaft am Ende keinen Sieg erringen konnte. Ihre Eintrittskarte will sie aufheben. „Das ist doch wohl klar“, sagt Mollau lachend. Das Fazit des treuen Fans: „Die Stimmung war fantastisch. Die Spieler eher nicht so.“ Die Blutreinigung Bei der Dialyse handelt es sich um ein Blutreinigungsverfahren. Es ist neben der Nierentransplantation das wichtigste Verfahren bei Patienten mit Nierenversagen. In Mecklenburg-Vorpommern leben bezogen auf die Bevölkerungszahl die meisten Menschen, die wegen kranker Nieren zur Dialyse müssen. 2011 wurden laut einer Studie 2700 gesetzlich versicherte Dialysepatienten gezählt, 1700 Patienten pro eine Million Einwohner. Im Bundesdurchschnitt sind es etwa 1000 pro eine Million Einwohner. Bei etwa einem Drittel der Dialysepatienten liegt laut Experten eine genetische Disposition vor. Sophie Pawelke

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